Ja, ja, dieses Foto ist politisch völlig unkorrekt. Wie sich Dieter Blums Marlboro-Mann die nächste Fluppe anzündet. In Echtleder-Klamotte! Mit Cowboy-Hut! Ein Lasso in der Hand! Und doch müssen selbst Veganer zugeben: leider ziemlich anziehend. Ob wir es wollen oder nicht, wir sind alle geprägt von Männlichkeitsidealen, die uns die Werbung zeichnet. Besonders gekonnt tat’s diese ikonische Kampagne des Tabak-Konzerns. Fotograf Blum inszenierte seine rauchenden Cowboys in den Neunzigern derart lässig – das schlug sogar den Coca-Cola-Mann, und der war oben ohne.
Heute ist Blum 88 Jahre alt. Und wenn man ihn fragt, was das denn nun eigentlich ist – „männlich“ –, lacht er sein schallendes, mitreißendes Lachen. „Ich habe keine Ahnung!“ Überhaupt: „Dieser Marlboro-Mann, das ist für mich in meinem Gesamtwerk nur eine Marginalie.“ Eine, die freilich noch immer sehr ansehnlich anzuschauen ist. Bis 9. Februar hat man dazu im Münchner Ludwig Space die Gelegenheit.
Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter ergriff sie vergangene Woche. Denn Galeristin Dietlinde Behncke präsentiert im Ludwig Space neben den Cowboy-Bildern weitere Werke des großen Künstlers Dieter Blum. Solche, die Mutter gut bekannt sind. Fotograf und Musikerin kennen sich seit Jahrzehnten. 1981, als Mutter ihr Japan-Debüt mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern gab, war Blum mit der Kamera dabei. Wie er überhaupt über Jahre fast immer dabei war, wenn das Orchester auf Reisen ging. „Ich war nicht bloß ein stiller Begleiter, ich war integriert, ein Teil der Truppe“, erinnert sich Blum. Und wer gesehen hat, wie überschwänglich Mutter ihn bei ihrem Galerie-Besuch umarmt hat, versteht, was er meint. Die Fotos von damals erzählen den Rest. Intime Aufnahmen sind Blum auf den Orchester-Reisen gelungen, keine bloßen Abbildungen anonymer Musiker, echte Charakterstudien von musizierenden Menschen.
Schon als Dreikäsehoch von acht Jahren hat Blum, der 1936 in Esslingen am Neckar geboren wurde, verkündet, dass er mal Fotograf werde. Er wurde es. Hat sich 1949, mit gerade mal 13, allein nach Paris durchgeschlagen, mit der Kodak Retina 1a in der Tasche. Das erste von unzähligen Abenteuern auf seiner irren Lebensreise. Stundenlang kann er davon erzählen – und tut’s begeistert. Die Jahreszahlen hat er alle im Kopf. 1971: erste Antarktisreise. 1953: erstmals Romy Schneider fotografiert. Oder 1951: da wurde ihm zur Konfirmation sein größter Wunsch erfüllt, die Leica IIIf.
Alles hat er sich selbst beigebracht. Und mit seiner Neugier und seiner Lust an Kunst und Kultur grandiose Bilder geschaffen. Wie die fantastischen Fotografien von professionellen Balletttänzern. Allesamt nackt. „Ich wollte diese perfekten Körper inszenieren“, erklärt Blum. Es ist ihm gelungen. Vor Kraft strotzend hängen die Akrobaten im Ludwig Space jetzt zwischen den Cowboys. Springen, fliegen. Und wirken trotz ihrer Nacktheit so viel stärker als die Viehhirten mit Lasso, Fluppe, Knarre. Männlichkeit? Geht genau so.
Bis 8. Februar
Ludwigstraße 7; Di.-Fr. 11-18, Sa. 11-16 Uhr (Mittagspause 13-14 Uhr).