Sie steckte noch im Studium, da griff Intendant Josef E. Köpplinger zu. Er engagierte Julia Sturzlbaum vom Fleck weg fürs Staatstheater am Gärtnerplatz, wo die junge Wienerin seit 2020 zum Ensemble gehört. In Bernd Mottls Neuinszenierung von Carl Zellers „Der Vogelhändler“, die an diesem Freitag Premiere feiert, singt, spielt und tanzt sie die Christel von der Post. Singen, tanzen, spielen – genau das ist es, was die quirlige 26-Jährige liebt und auf die Bühne treibt. Und weil sie früh mit Ballettunterricht begann, später Jazz- und Stepptanz lernte und im Kinderchor der Volksoper aktiv war, schrieb sie sich an der Wiener Musik-Universität für „Musikalisches Unterhaltungstheater“ ein und gastierte bereits als Studentin unter anderem als Pauline in „Pariser Leben“ beim Lehár-Festival in Bad Ischl.
Meist steht nicht die Operette auf der Wunschliste junger Sängerinnen und Sänger, sondern die Oper – und Operetten-Rollen sind eher eine Randerscheinung. Bei Julia Sturzlbaum ist das anders: Die Liebe zur Operette wurde ihr in die Wiege gelegt, denn ihre ungarische Mama hatte eine große Affinität zu Kálmán und Co. und nahm die kleine Tochter häufig mit in Operetten-Vorstellungen. „Natürlich ist Wien das Mekka der Operette, aber noch mehr liebte ich die Aufführungen in Ungarn. Mit viel Choreografie, viel Pfeffer, einfach sehr spritzig“, erinnert sich die temperamentvolle Sängerin. Da sie an der Musik-Uni zu den Gesangschülern von Previn Moore gehörte, erfuhr sie eine klassisch geprägte Ausbildung. „Obwohl ich das Poppige in den modernen Musicals sehr mag, rückte mein Schwerpunkt immer stärker auf den Gesang und ich musste mich entscheiden, wo ich hingehöre.“ Es sind die klassischen Musicals, die Operetten und erste Opernrollen, die Julia Sturzlbaum nun in München auf die Bühne locken.
Obwohl der Start in der Corona-Zeit für eine junge, ehrgeizige Anfängerin eher holperig verlief, erinnert sich die Sopranistin gerne an ihr Gärtnerplatz-Debüt als Papagena in Mozarts „Zauberflöte“ im Herbst 2020 und an etliche folgende Streaming-Produktionen während der Schließzeit. Mittlerweile hat Julia Sturzlbaum eine weitere Mozart-Partie übernommen, die Despina in „Cosi fan tutte“. Außerdem ist sie für die erkrankte Hauptdarstellerin bei „Drei Männer im Schnee“ eingesprungen, war als Wanda in der „Großherzogin von Gerolstein“, in „Tootsie“ und „Das Leben des Brian“ mit dabei und ist aus dem Ensemble nicht mehr wegzudenken.
Bereits 2023 erfüllte sich für sie ein Traum: Eliza Doolittle. „Mit 15 träumte ich von der Rolle der Eliza – mein größter Wunsch. Und plötzlich war Eliza da. Ein Highlight.“ Und von welcher Partie träumt Julia Sturzlbaum jetzt? „Es war schon eigenartig, als mein Eliza-Traum sich so früh erfüllte“, gesteht sie. Aber da gibt es noch eine ganze Menge schönster Rollen, die sie sich in Zukunft vorstellen kann: „Die Norina in ,Don Pasquale‘ oder die Gretel in ,Hänsel und Gretel‘, die Maria in ,Sound of Music‘ oder in ,West Side Story‘ und vielleicht irgendwann die Pamina – aber ich habe ja noch Zeit.“ Wie wahr.
Im Moment genießt die junge Sängerin es, dass sie sich im Gärtnerplatz-Ensemble wie in einer Familie geborgen fühlen und zwischen den Genres springen darf. Die Christel im „Vogelhändler“ macht ihr großen Spaß, zumal die Rolle ihr viel abverlangt. „Zunächst denkt man nur an ihre Arie ,Ich bin die Christel von der Post‘, aber sie hat viel mehr zu tun, in Duetten, Terzetten mischt sie mit und muss viel Spielfreude mitbringen.“
In der kommenden Saison wartet die „Fledermaus“-Adele auf Julia Sturzlbaum und noch in dieser Spielzeit ist sie als Cosette in „Les Miserables“ zu erleben, als die sie jetzt schon beim koproduzierenden Theater in St. Gallen auf der Bühne steht. Auch eine von Marika Rökk angehauchte Figur in der Farce „Oh! Oh! Amelio!“ wartet auf der Studiobühne auf sie. Ansonsten ist die Wienerin ganz entspannt und sagt sich: „Was kommen muss, wird kommen.“ Natürlich ist sie ehrgeizig, aber sie hat gelernt, dass singende Menschen auf ihren Körper hören und ihm die nötigen Ruhephasen gönnen müssen. Dazu arbeitet sie weiterhin mit ihrer Gesangslehrerin Daniela Fally in Wien zusammen. „Meine Stimme entwickelt sich ja noch und da ist es wichtig, das kontrollieren zu lassen“, weiß die junge Dame mit dem sehr österreichischen Namen. Wird sie diesen Zungenbrecher einmal ändern wollen? „In der Tat habe ich daran schon gedacht, aber alle fanden, der Name sei doch sehr lustig. Sollte ich wirklich mal international unterwegs sein, dann tu ich es vielleicht. Ein Großeltern-Name bietet sich dafür an.“ Aber bestimmt haben bis dahin Italiener und Japaner, Franzosen und Amerikaner gelernt, Sturzlbaum über die Lippen zu bringen.
Premiere
des „Vogelhändlers“ ist am Freitag, 19.30 Uhr. Karten unter gaertnerplatztheater.de und 089/ 21 85 19 60.