Die Neujahrskonzerte der Bayerischen Vertretung in Berlin haben eine lange Tradition. Und 2012 nutzte Bayerns damaliger Ministerpräsident Horst Seehofer diese Bühne vor der Berliner Polit-Prominenz und Unternehmern, um anzukündigen, dass allen Widerständen zum Trotz das BR-Symphonieorchester (BRSO) einen eigenen, neuen Konzertsaal in München bekommen werde. Einen Saal mit einer Akustik, die so beeindruckend wie die im klassizistischen Schinkel-Bau am Berliner Gendarmenmarkt sein sollte.
Wer jedoch gehofft hatte, dass Seehofers Erbe Markus Söder die Chance nutzen würde, um am gleichen Ort und beim gleichen Anlass seine seit nunmehr fast zwei Jahren andauernde „Denkpause“ über die Zukunft des Konzertsaals zu beenden, wurde enttäuscht. Dabei hätte es so gut gepasst: Schließlich fand das bejubelte Berlin-Konzert unter Chefdirigent Sir Simon Rattle am Vorabend des 75. Geburtstags des BR und seines Orchesters statt.
Doch Söder schickte nur seinen Europaminister Eric Beißwenger (CSU) nach Berlin, der kein Wort über das auf Eis gelegte Projekt verlor. Die aufsehenerregendste Begrüßung kam nicht vom Vertreter der Staatsregierung, sondern vom Präsidenten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Wolfram Hatz, dessen vbw Hauptsponsor des Neujahrskonzerts in Berlin ist. Hatz redete sich in seinem heiligen Zorn auf die AfD regelrecht in Rage: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Land von Hetzern, Faktenleugnern und Demokratiefeinden gespalten wird“, von „Lumpen und Gesindel“, die vom „Dexit“ redeten und pro-russisch agierten – und damit der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen schadeten, so Hatz unter heftigem Beifall der 1400 Gäste im Saal.
Wenn schon nicht die Reden, so war dann doch die Musik ein eindringliches Plädoyer, dass dieses Weltklasse-Orchester ein eigenes Haus verdient hätte: Edward Elgars Enigma-Variationen erklangen da nicht nur in der üblichen majestätischen Erhabenheit – das BRSO schaffte es, die ruhigeren Passagen geradezu zu flüstern und so den Kontrast zwischen Trauer und purer Lebensfreude, der den Charme des Werks ausmacht, beeindruckend klar herauszuarbeiten.
Den eigentlichen Höhepunkt dieser Bayern-Festspiele in Berlin bot Veronika Eberle mit ihrer einzigartigen Interpretation von Beethovens Violinkonzert: Das tausendmal Gehörte wurde da zur Neuentdeckung – auch, weil Eberle Kadenzen des zeitgenössischen Münchner Komponisten Jörg Widmann in alle drei Sätze des Beethoven-Konzerts integrierte. Eberle zupft und klopft da wild die Saiten ihrer Geige, der Kontrabass und die Pauken mischen sich protestierend ein – und aus dem Publikum explodierte ein aufrichtig begeisterter „Wow“-Ruf und Zwischenapplaus. Ein schöneres Geburtstagskonzert hätten sich Rattle und sein Orchester nicht wünschen können.