Ob das entzückende Foto von Yoko Ono im vernebelten Central Park durch Zufall entstanden ist? Fragt am Donnerstagabend ein begeisterter Besucher des Kunstfoyers München den großen US-amerikanischen Fotografen Abe Frajndlich. Der antwortet trocken: „Nichts passiert bei Yoko Ono aus Zufall.“ Um dann einen Satz zu sagen, auf den die vielen, die zu diesem Künstlergespräch gekommen sind, gehofft hatten: „Aber zu diesem Bild kann ich eine schöne Geschichte erzählen.“ Abe Frajndlichs Geschichten sind legendär. Er erzählt sie mündlich und er erzählt sie fotografisch. Und beides voller Leidenschaft.
Yoko Ono also. „Ich muss gestehen: Ich hatte vor unserem Treffen ein bisschen Angst vor ihr. Weil sie ja als schwierig gilt.“ Doch der Mann mit dem freundlichen Namen wusste, wie er auch dieses Gegenüber zu Nettigkeit bewegt. „Ich rief eine gemeinsame Freundin an und bat sie: Kannst du nicht Yoko Ono anrufen und sie bitten, nett zu mir zu sein?“ Sie tat’s – und Ono war beim Shooting „die charmanteste Lady, die ich je traf“. Hat ihn bekocht, mit ihm gescherzt und trotz kaltem, nieseligem Winterwetter an diesem Februartag im Jahr 1975 unermüdlich für ihn posiert.
Wenn man den 77-Jährigen so reden hört, beschleicht einen das Gefühl, dass das nicht nur am Einwirken seiner Bekannten gelegen haben könnte. Nomen est omen: Dieser Abe Frajndlich ist einfach irrsinnig nett, nicht im abgedroschenen schon wieder fast abwertend gemeinten, sondern im ursprünglichen Sinne nett. Zugewandt, offen, durch und durch Menschenfreund. Obwohl Philanthropie angesichts seiner Vita nicht selbstverständlich ist. Als Abraham Samuel Frajndlich wird er als Sohn polnischer Juden am 28. Mai 1946 in einem Lager für Displaced Persons in Frankfurt-Zeilsheim geboren und als Staatenloser eingestuft. Mit zehn hat der kleine Abe schon in vier Ländern gelebt. Von Frankfurt zog die Familie nach Tel Aviv, dann zurück nach Frankfurt, später nach Paris und über Brasilien schließlich in die USA. Dort fand er seine Heimat: Seit 1983 lebt Abe Frajndlich in New York City.
Doch das ständige Herausgerissenwerden aus neuen Zuhause, die Schrecklichkeiten der unmittelbaren Nachkriegszeit und die Traumata des Holocaust führten bei ihm nicht zu Hoffnungslosigkeit. Abe Frajndlich setzt den Scheußlichkeiten dieser Welt Herzlichkeit entgegen. Er fotografiert nicht einfach nur Menschen, er kommuniziert mit seinen Bildern, bringt die Betrachter dazu, einander genauer anzuschauen. Den anderen und dadurch sich selbst zu erkennen, im besten Falle: ein bisschen besser zu verstehen. So wird Fotografie zum friedenstiftenden Mittel der Kommunikation.
Rund 200 Arbeiten ab den Siebzigern sind im Kunstfoyer zu sehen: träumerische Straßenszenen, sinnliche Akte und immer wieder Menschen, Menschen, Menschen. Die Porträts von Künstlerinnen und Künstlern, die Frajndlichs Leben beeinflusst haben, bilden einen Schwerpunkt der Schau. Celina Lunsford, Esra Klein und Andrea Horvay haben das klug kuratiert. Frajndlichs Witz blitzt nicht nur in den Bildern selbst auf, sondern auch durch deren Anordnung. Indem die Kuratorinnen beispielsweise die Akt-Fotografien zwischen Frajndlichs Detailaufnahmen von Chili-Schoten oder Bananenblättern gehängt haben, verleiten sie unser Hirn dazu, auch in den Bildern von Intimrasuren auf den ersten Blick Pusteblumen zu sehen oder umgekehrt in den herzförmigen Pflanzen menschliche Popos. Ein Spiel mit unserer Fantasie.
Ganz so, wie Frajndlich es liebt. In einer Vitrine sieht man ein Foto von ihm, als Bub mit Schultüte. „Im Grunde bin ich immer noch der kleine lächelnde Junge von damals. Und bei allen Shootings wollte dieser kleine Junge in mir mit dem kleinen Jungen oder dem kleinen Mädchen in meinem Gegenüber spielen. Ihnen in kompletter Unschuld ohne Vorurteile begegnen, so wie es Kinder tun.“ Spielerisches Glück.
Bis 1. April
im Kunstfoyer, Maximilianstraße 53; täglich von 9.30-18.45 Uhr, Eintritt frei.