Ein Staatsoberhaupt, das der Rache abschwört und sein gekränktes Ego zur Wahrung des Friedens hintanstellt. Nachrichten wie diese sind aktuell leider eher der Kultur-Rubrik vorbehalten. Und Opernfans ahnen bereits, dass natürlich von „La clemenza di Tito“ die Rede ist, die nun zum Auftakt der diesjährigen Mozartwoche in der Salzburger Felsenreitschule über die Bühne ging. Zwar nur in halbszenischer Form, doch hat man schon vollwertige Inszenierungen erlebt, bei denen deutlich weniger Action geboten war.
Von den subtilen Regieeinfällen des Duos Rolando Villazón und Bettina Geyer profitieren vor allem die sonst gern mal etwas langatmig geratenden Rezitative, deren Ausarbeitung Mozart bekanntlich einst seinem Schüler abgetreten hatte. Durch wohlgesetzte Blicke und Gesten sowie durch die virtuose Begleitung von Luca Guglielmi am Fortepiano reißt die Spannung aber selbst hier selten ab.
Dass daneben auch die in den Arien „Parto, ma tu ben mio“ und „Non più di fiori“ prominent eingesetzte Klarinette als aktiver Partner szenisch mit der jeweiligen Sängerin interagiert, ist nicht unbedingt ein neuer Einfall. Wohl aber ein Bonus beim Musizieren, den gerade Magdalena Koená als Sesto zu nutzen versteht und sich im „Duett“ mit Francesco Spendolini gegenseitig hochputscht. Koená weiß dabei ihre langjährige Erfahrung mit dieser Paradepartie klug auszuspielen und zeichnet mit sauber geführtem Mezzo ein überaus komplexes Rollenporträt.
Gut darauf abgestimmt präsentiert sich ebenfalls der Rest des Ensembles. So ist in der zweiten Hosenrolle des Annio mit Marianne Beate Kielland eine weitere Ausnahmesängerin zu erleben, deren dunkel timbrierte Stimme sich nicht nur perfekt mit der ihrer Partnerin mischt, sondern auch in ihren Arien markante Akzente setzt. Ähnlich wie Christina Gansch als Servilia, die einen wünschen lässt, dass Mozart auch ihrer Rolle etwas mehr zu singen gegeben hätte.
Ein Schicksal, das sie mit Bass Salvo Vitale teilt, der auch überwiegend als Stichwortgeber herhalten muss, Titos Vertrautem Publio aber dennoch die nötige Autorität gibt. Der römische Kaiser selbst wird hier von Edgardo Rocha verkörpert, der seine aus dem Belcanto-Fach bekannten Qualitäten vor allem in den leisen, nach innen gewandten Phrasen des von seinen Freunden betrogenen Kaisers gewinnbringend einsetzt.
In allen Lagen austoben darf sich dagegen Hanna-Elisabeth Müller, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit selbst fest im lyrischen Fach verwurzelt war, inzwischen aber endgültig auf die dramatischeren Mozart-Rollen abonniert scheint. So rutscht die manipulative Vitellia bei ihr dankenswerterweise nicht ins Klischee der keifenden Furie ab. Selbst wenn Müllers Sopran an der einen oder anderen Stelle zuweilen an gewisse Grenzen kommt. Was im Kontext von Jordi Savalls Interpretation aber dennoch aufgeht. Pflegt der Katalane am Pult des Concert des Nations doch ein schlankes und scharf akzentuiertes Klangideal, während er das Geschehen mit straffen Tempi voranpeitscht und kaum Pausen für Zwischenapplaus lässt. Wodurch sich der aufgestaute Jubel des Publikums am Ende umso heftiger entlädt.