An den Federn erkennt man den Vogel. Und deshalb schauen wir jetzt alle einmal, mit welchem Federkleid wir uns heute geschmückt haben. Denn selbst diejenigen, die morgens einfach zu „irgendwas“ greifen, das ihnen aus dem Schrank in die Hand fällt, haben dieses Irgendwas ja irgendwann gekauft. Weil’s ihrem Geschmack entsprach. Der ist geprägt von Mama und Papa, Partnern, Freunden, ob man es will oder nicht: von der Gesellschaft. Und wenn auch nur in der bewussten Verweigerung jedes Mode-Diktats, jeder Vorgabe, was „en vogue“ ist. Coco Chanel hat’s treffend so formuliert: „Mode ist nicht etwas, das nur in Kleidungsstücken existiert. Mode hat mit Ideen zu tun; mit der Art und Weise, wie wir leben – und mit dem, was geschieht.“ Mode ist Kultur. An ihr lässt sich ablesen, wie eine Gesellschaft tickt. Und wer das tun möchte, der geht dafür am besten in eins der schönsten Museen, die das an schönen Museen reiche München zu bieten hat: in die Von Parish Kostümbibliothek.
Ein Zauberort ist diese Villa an der Nymphenburger Kemnatenstraße. Darin eine der weltweit bedeutendsten Spezialbibliotheken für Kostümgeschichte. Sie ist Teil der Sammlungen des Münchner Stadtmuseums. Und ein Paradies für Modebegeisterte. Solche wie Hermine von Parish (1907-1998) und ihre gleichnamige Mutter (1881-1966), die einst den Grundstein legten für diese erstaunliche Sammlung. Bilder und Texte zur Bekleidung und Mode aus allen Epochen und Ländern werden in der Jugendstilvilla seither zusammengetragen – angefangen von steinzeitlichen Fertigungsverfahren bis zur aktuellen Laufsteg- oder Alltagsmode. Auch angrenzende Gebiete deckt die wissenschaftliche Spezialbibliothek ab, Textilkunde etwa, oder Hygiene, Kosmetik, Etikette.
Als Mutter und Tochter von Parish 1936 in das prächtige Haus zogen, lautete die Anschrift noch Wotanstraße 50. Wotanstraße – natürlich muss hier Musik erklingen! Tat es viele Jahre. Schon beim vorherigen Hausbesitzer und -erbauer Friedrich Wilhelm von Schirach (1870-1924). Wenig war über ihn bekannt, seine eigene Verwandtschaft überrascht, als Esther Sophia Sünderhauf, Leiterin der Kostümbibliothek, sich bei Recherchen über ihn an sie wandte. Gemeinsam machten sie sich an die Nachforschung zu diesem fast vergessenen Großonkel. Wie sich herausstellte, war der ein engagierter Tonkünstler. Künstlerisch bestens vernetzt, befreundet etwa mit Richard Strauss. Regelmäßig lud von Schirach zu Hauskonzerten in den Musiksalon seiner Villa. Eine Tradition, welche die Von Parish Gesellschaft zur Förderung der Kostümforschung – der Freundeskreis des Hauses – gern wieder aufleben lassen würde. Am Freitag bekam man einen bewegenden Eindruck davon, wie das künftig klingen könnte.
Pianistin Akemi Murakami und Bassbariton Matthias Winckhler erweckten unter den Ohren auch einiger Angehöriger der Familie von Schirachs dessen Musik nach fast 120 Jahren zum Leben. Weil der Stutzflügel Hermine von Parishs, der heute im Musiksalon steht, arg restaurierungsbedürftig ist, spielte Murakami auf einem Digitalpiano – mit von ihr unverschuldeten Anlaufschwierigkeiten, das Pedal funktionierte nicht. Von Parish-Gesellschaft-Vorsitzende Susanne Hermanski lachend: „Sie sehen: Es geht nur mit einem richtigen Flügel!“ Ein charmanter Aufruf an alle Gäste, möglichst Vielen weiterzuerzählen, dass hier noch Geld benötigt wird. 5300 Euro hat man bereits zusammen, doch für eine Restaurierung des 1871 gebauten Instruments bräuchte es rund 25 000 Euro. Hermanski, Sünderhauf und all die unermüdlichen Ehrenamtlichen, die sich für das Haus engagieren, überlegen deshalb, ob das Geld stattdessen in einen neuen Flügel aus der Zeit um 1900 investiert werden sollte. „Fest steht: Dieser Flügel oder ein Flügel soll künftig hier bespielt werden“, betonen sie am Ende dieser höchst hörenswerten Belebung des historischen Ortes. Klingt gut.
Unterstützer werden:
Die Kostümbibliothek sucht für künftige Hauskonzerte als Spende einen braunen Stutzflügel aus der Zeit um 1900 in bestmöglichem Zustand. Infos per E-Mail an kostuembibliothek.stadtmuseum@muenchen.de. Führungen durchs Hau nach Anmeldung unter stadtmuseum.muenchenticket.net.