„Ich bin viel zu neugierig“

von Redaktion

Anastasia Kobekina über stilles Publikum, Venedig und ihr Münchner Konzert

VON TOBIAS HELL

Sich langsam herantasten. Die Dinge bewusst erleben und sich aufs Essenzielle konzentrieren. Antworten wie diese lassen einen schnell klar werden, dass Cellistin Anastasia Kobekina nicht der Typ ist, um sich als nächster gehypter Shootingstar verheizen zu lassen. An erster Stelle steht für die 29-jährige Russin vor allem ihr Instrument und die Musik, die sie damit zum Leben erweckt.

Am Tag vor dem Gespräch stand sie noch bei einem Kammermusik-Abend in Polling auf der Bühne. Ein Erlebnis, das spürbar in ihr nacharbeitet. „Ich habe selten ein Publikum erlebt, das so still und aufmerksam zugehört hat. Das war auch für mich etwas Besonderes. Denn die Menschen im Saal gestalten so einen Abend ja auch mit.“

Umso mehr freut sie sich darauf, das bayerische Publikum nun anlässlich ihres Debüts beim Münchener Kammerorchester am 11. Februar näher kennenzulernen. „Es sind alles Stücke für kleine Besetzung, die wir ohne Dirigenten machen. Dadurch hat man einen viel engeren Kontakt zum Orchester und größere Flexibilität. Ich fühle mich so fast wie ein Teil des Ensembles.“

Eine Herangehensweise, die in den Augen von Anastasia Kobekina hervorragend mit dem Programm harmoniert, das sich trotz kleiner Ausflüge in die Moderne vor allem um Vivaldi dreht, dessen Konzerte damals in ähnlicher Konstellation aufgeführt wurden. Zudem kommt es ihrer Liebe zur Kammermusik entgegen, die sie während ihres Studiums an der berühmten Kronberg Academy im hessischen Taunus weiter vertiefte.

„Kammermusik empfinde ich als unglaublich bereichernd. Man muss mit anderen kommunizieren und wechselt ständig die Rollen. Mal führt man, mal begleitet man. Und vor allem muss man den anderen Platz gönnen und einander zuhören. Das fehlt unserer Gesellschaft heute leider sehr oft.“ Wichtige Mentorin war für Anastasia Kobekina neben Cello-Größen wie Jérôme Pernoo oder Jens Peter Maintz vor allem Kristin von der Goltz. „Am liebsten würde ich mein ganzes Leben weiter studieren, weil man im Dialog mit solchen Persönlichkeiten immer wieder Neues entdeckt. Da geht es nicht allein ums Cellospielen, sondern auch um die Akzente, die man in seinem Leben setzen möchte. Und warum wir überhaupt Musik machen.“ Dies habe gerade während der Pandemie gegolten, als Kulturschaffenden plötzlich gesagt wurde, sie seien nicht relevant.

Anastasia Kobekina stammt aus Jekaterinburg. Mit vier Jahren hatte sie ihren ersten Cello-Unterricht, mit 16 kam sie ans Moskauer Konservatorium. Vor einem Jahr geriet sie in die Schlagzeilen: Aufgrund ihrer Nationalität wurde sie von einem Schweizer Konzertveranstalter ausgeladen – und das, obwohl sich die Musikerin gegen den russischen Angriffskrieg ausgesprochen hatte. Auf Instagram legte sie nach: Sie akzeptiere nicht, dass dieser Krieg in ihrem Namen als russische Staatsbürgerin geführt werde.

Mittlerweile kann sich Anastasia Kobekina wieder vermehrt der Musik zuwenden. Und sie folgt vor allem ihrer Intuition, wenn es darum geht, neue Projekte und neues Repertoire auszuwählen. Aktuell gilt ihre Aufmerksamkeit dem Konzert im Prinzregententheater, das wie ihre parallel erscheinende CD ums Thema Venedig kreist. Natürlich mit viel Vivaldi, aber eben auch mit Kompositionen von Fauré, Silvestrov, Paganini oder Barbara Strozzi, deren Arie „Che si può fare?“ in neuem Arrangement für Cello erklingt. Der Titel „Was kann man tun?“ steht quasi sinnbildlich für den Abend.

„Beim Thema Venedig landet man schnell bei Vivaldi, aber das allein würde dieser faszinierenden Stadt nicht gerecht, die so viele Künstlerinnen und Künstler inspiriert hat.“ Außerdem stellt sich bei Vivaldi immer auch die Frage nach der historisch informierten Aufführungspraxis – also altes oder modernes Instrument? Ein Thema, auf das es für die Cellistin keine alleingültige Antwort gibt. „Jede Epoche hat ihr eigenes Vokabular. Da braucht es eine gute Intuition, wie man das jeweils umsetzt. Ich denke, dass man diese Musik sehr wohl auch in unsere Zeit holen darf, wenn man es schafft, dabei die Erfahrungen aus der historischen Aufführungspraxis mitzunehmen.“ Und das hat allein schon logistische Gründe: Bei einem vollen Terminkalender kann man nicht dauernd mit zwei Instrumenten reisen. Und auf eine Repertoire-Schiene festlegen lassen will sich Anastasia Kobekina keinesfalls. „Dafür bin ich viel zu neugierig.“

Konzert

am 11. Februar, 15.30 Uhr,

im Prinzregententheater;

Telefon 089/93 60 93.

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