Der französische Politologe Alfred Grosser ist im Alter von 99 Jahren in Paris gestorben. Sein Name ist eng mit der deutsch-französischen Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Der in Deutschland geborene Intellektuelle lehrte von 1955 bis 1992 als Professor an der Pariser Elitehochschule Sciences Po.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte das Lebenswerk Grossers, der 1925 als Sohn eines jüdischen Kinderarztes in Frankfurt am Main zur Welt kam. „Wohl kaum jemand hat in den vergangenen Jahrzehnten so kenntnisreich, so leidenschaftlich und so überzeugend für das gegenseitige Verständnis zwischen Frankreich und Deutschland gewirkt wie Alfred Grosser“, betonte Steinmeier in Berlin.
Grossers Vater hatte als deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg gekämpft und war mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse ausgezeichnet worden. Die Familie floh vor den Nationalsozialisten 1933 nach Frankreich, wo der Vater starb. Die Mutter erhielt mit ihren Kindern die französische Staatsbürgerschaft. Das bewahrte sie 1939 vor der Internierung.
Grosser hat rund 40 Bücher geschrieben. Dabei erklärte er Deutschland den Franzosen und Frankreich den Deutschen. Von 1965 an war er Mitarbeiter zahlreicher Zeitungen und Fernsehanstalten. Für seine Rolle als Mittler zwischen Deutschen und Franzosen wurde er vielfach geehrt, 2019 wurde er von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in die Ehrenlegion aufgenommen.
Kritisch befasste sich Alfred Grosser mit der Politik Israels sowie mit der Erinnerungskultur in Deutschland. Außerdem war er, der sich selbst als christlich beeinflussten Atheisten beschrieb, immer auch ein kritischer Beobachter der christlichen Kirchen. kol/ju