Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, wie wichtig eine Einrichtung wie das NS-Dokumentationszentrum in München ist. „Dieser Krieg stellt – wie schon der in der Ukraine – besondere Herausforderungen an unsere Gesellschaft“, sagt Direktorin Mirjam Zadoff mit Blick auf den Nahen Osten nach dem Terrorangriff der Hamas. In der Folge hat antisemitischer Hass weltweit zugenommen, auch in Deutschland. „Das betrifft die Mitte der Gesellschaft. Deshalb gibt es viel zu tun.“ Freilich sind es nicht nur internationale Konflikte und deren nationale Auswirkungen, auch der Rechtsruck, etwa bei der jüngsten Landtagswahl, sowie die „Flugblatt-Affäre“ des stellvertretenden Ministerpräsidenten sind Herausforderungen für die historisch-politische Vermittlungsarbeit. Die Diskussion um Aiwanger hätte eine „Form der Relativierung des Holocausts in die Debatte gebracht“, beobachtet die Historikerin.
Die 49-Jährige und ihr Team richten den Fokus in diesem Jahr nun besonders auf rechte Gewalt, Antisemitismus, Rassismus und politisch motivierten Terror. Berücksichtigen wollen die Verantwortlichen am Max-Mannheimer-Platz 1 vor allem die Perspektive von Menschen, die unmittelbar von terroristischer Gewalt betroffen sind. So soll die Schau „Rechtsterrorismus. Verschwörung und Selbstermächtigung – 1945 bis heute“, die am 18. April startet, die anhaltende rechtsterroristische Bedrohung bis in die Gegenwart aufzeigen. Dazu zählen etwa auch das Oktoberfestattentat im Jahr 1980 sowie der Anschlag im Münchner Olympia-Einkaufszentrum 2016.
Wie sehr die Arbeit der Einrichtung bei den Menschen ankommt, zeigen die Zahlen: Rund 150 000 Gäste wurden im vergangenen Jahr gezählt; zudem lotet das NS-Dokuzentrum kontinuierlich aus, wie Publikum digital erreicht werden kann – gerade wurde etwa ein Online-Lexikon freigeschaltet (siehe Kasten).
Doch auch den ganz realen Austausch möchte man intensivieren und „Räume schaffen für den Dialog“ – Letzteres gerne unter freiem Himmel. Von Mai an soll es Sitzgelegenheiten und Veranstaltungen auf dem Vorplatz geben, die mobile Kaffeebar kehrt natürlich zurück. „Wir wollen stärker in die Stadtgesellschaft hineinwirken und sichtbarer werden“, kündigt Zadoff an. Im Herbst eröffnet schließlich das lange geplante Café im Eingangsbereich, außerdem wird das Haus barrierefrei.
Im kommenden Jahr feiert das Zentrum zehnten Geburtstag. Bis dahin will man die Dauerausstellung „München und der Nationalsozialismus“ überarbeiten. Die sei „nur noch bedingt tragbar“, wie die stellvertretende Direktorin Anke Hoffsten überraschend harsch kritisiert. So werde weder der parlamentarische Rechtsruck der jüngsten Zeit thematisiert noch auf gendergerechte Sprache geachtet. Zudem greift die Präsentation auf NS-Propagandamaterial zurück. Hoffsten weist jedoch auch darauf hin, dass Ausstellungen mit ihren langen Vorlaufzeiten oft nicht das Mittel der Wahl seien, wenn es gilt, rasch zu reagieren. Und diese Herausforderung wird vorerst nicht geringer. Leider.