Wie schön gülden die Haut im Sommer ist. Müder Blick in den Spiegel – „und wie trocken und blass im Winter“. Jede Jahreszeit hinterlässt ihre Spuren. Warum sollte es Gemälden da anders gehen als unseren wettergegerbten Gesichtern? Auch die Werke eines der teuersten lebenden Künstlers der Welt sind nicht vor den Prägungen der Zeit gefeit. Heute feiert eben dieser Superstar der Szene, Gerhard Richter, seinen 92. Geburtstag. In München wurden gerade drei Arbeiten von ihm frisch restauriert. Im Foyer des BMW-Hochhauses hängen sie wieder strahlend wie vor 50 Jahren.
1973 schuf Richter seine Werkgruppe „Rot – Gelb – Blau“ eigens für das Gebäude des Automobilherstellers. Ein Spiel mit den drei Primärfarben. Ein Ausloten dessen, was malerisch möglich ist. Lebendige Bildflächen, je drei mal sechs Meter groß. Fließende Töne von Matt bis Seidenglänzend. Und gerade deshalb nicht ganz leicht zu restaurieren? „Stimmt, je detaillierter ein Bild ist, je mehr darauf passiert, desto mehr ist das Auge abgelenkt und springt über die Oberfläche hinweg, erfasst das ganze Bild und schaut nicht so sehr ins Detail“, sagt Ekkehard Kneer, der mit der Restaurierung der Richter-Werke beauftragt wurde. Bei fast monochromen Bildern wie diesen hingegen achte der Betrachter viel stärker auf die Oberflächenphänomene. Da darf ihm als Restaurator kein Schnitzer passieren – eine schlechte Retusche glänzt aus einem solchen Werk heraus wie ein mies abgedeckter Pickel im ungeschminkten Gesicht.
Behutsam tastet Kneer sich an jede Arbeit heran. Da wird erst einmal am Gemälderand kleinteilig geprüft, wie die Malschicht auf Lösungsmittel, auf Feuchtigkeit, auf Wärme reagiert. Und dann Schritt für Schritt vorgegangen. „Im Falle der Richter-Bilder gab es schon einiges zu tun, aber eher Pflegemaßnahmen, im Fokus stand die Konservierung der Malschicht.“ Das Foyer des Hochhauses hat kein museales Raumklima – wie auch? Ständig geht die Tür auf, strömt kalte oder warme Luft herein; im Sommer knallt das Sonnenlicht in die Lobby. Deshalb wurden für die frisch restaurierten Gemälde gleich noch Glasvitrinen hergestellt. Ab jetzt sind die drei geschützt vor jedem Klima – und klebefreudigen Klimaschützern.
Seit 30 Jahren ist Kneer in seinem Beruf tätig. Ein Profi. Und doch bleibt die Frage: Das Werk eines lebenden Künstlers zu restaurieren – einen Richter! – hat man dabei nicht Angst, was kaputt zu machen? Da lacht der auch im Gespräch sehr zurückhaltende, behutsame Restaurator ein erstes Mal fast schon laut auf. „Natürlich macht es vom Bewusstsein her einen Unterschied, ob der Künstler noch lebt. Aber prinzipiell kümmern wir uns um das Kunstwerk als solches. Das ist für uns relevant – autonom und ohne den Autor denkbar.“ Aber klar, so ein Richter sei schon etwas Besonderes. Allein die Größe – 18 Quadratmeter ein jedes der drei Werke. „Ich empfinde es als Privileg, mit meiner Arbeit dafür sorgen zu können, dass solche Kulturgüter erhalten bleiben.“ Und weiter strahlen dürfen. Sommer wie Winter.
Im BMW-Hochhaus
sind die Werke werktags von 9 bis 18 Uhr im Foyer öffentlich zugänglich.