Champions League des Jazz

von Redaktion

Gard Nilssen und Acoustic Unity in der Münchner Unterfahrt

VON REINHOLD UNGER

Im vergangenen Jahr hatte Gard Nilssen mit seinem furios aufspielenden 17-köpfigen Supersonic Orchestra in der Muffathalle für Münchens Jazzkonzert des Jahres gesorgt (wir berichteten). Nun bewies der norwegische Schlagzeuger mit seinem Trio Acoustic Unity, quasi der Keimzelle der Großformation, in der Unterfahrt, dass er sich auch im Kleinen vorzüglich auf fein abgestufte klangliche Detailarbeit und große Dynamikamplituden versteht.

Auch wenn Nilssen nominell der Bandleader ist, der entscheidende Namensbestandteil ist Unity. Eine bestens aufeinander abgestimmte Einheit bildet Nilssen mit seinem vorwiegend Tenorsaxofon spielenden Landsmann Andre Roligheten und dem als Klammer zwischen Melodie und Rhythmus allzeit kraftvoll präsenten schwedischen Kontrabassisten Petter Eldh.

Die kompositorischen Vorlagen steuern alle drei zu etwa gleichen Teilen bei. Auf deren Basis verhandelt man dann in einem gleichberechtigten Trialog immer wieder neu das Verhältnis von thematischen Bezügen und frei assoziierender Spontanfantasie, von lyrischer Introspektion und bisweilen geradezu euphorischer Ausgelassenheit, wobei die lebhaft animierten Passagen überwiegen. Manche Themen spielt Roligheten unisono auf Tenor- und Sopransaxofon gleichzeitig: Was aussieht wie eine Zirkusnummer, ist eine musikalisch sinnvoll integrierte, betörende Klangverdopplung – das Trio als Quartett. Wie überhaupt ein Reiz dieser Band im Spiel mit Kontrasten besteht: die kammermusikalische Einheit, die sich in fulminantes Powerplay steigern kann, das Kraftpaket, das zu größter Intimität fähig ist. Das ist europäische Improvisationsmusik auf Champions-League-Niveau, die zum Klischee geronnene Ästhetik nordischer Kühle beseelt und energisch hinter sich lassend.

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