Zwei Jahre ist es her, da gelang Andreas Dresen mit „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ und der mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichneten Meltem Kaptan ein ganz großer Wurf. Ein zweiter Bär ging damals an Laila Stieler für das beste Drehbuch der Berlinale. Jetzt ist Dresen mit „In Liebe, Eure Hilde“ wieder im Wettbewerb des Festivals vertreten. Wieder ist es eine starke Frauenrolle, die im Zentrum steht. Und wieder hat Dresen eine charismatische Schauspielerin – diesmal Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“) – zu absoluter Höchstform gebracht.
Die 33-Jährige spielt die Widerstandskämpferin Hilde Coppi (1909-1943), die mit ihrem Mann Hans und ihren Freunden der Gruppe „Rote Kapelle“ während der NS-Diktatur verhaftet und hingerichtet wird. In den Monaten im Gefängnis bringt Hilde noch den gemeinsamen Sohn Hans jr. zur Welt. Er war bei der Premiere am Samstag anwesend und sichtbar erfreut über die späte, doch so verdiente Ehrung seiner Eltern.
Die waren idealistisch, politisch wach und mutig. Aber vor allem waren sie jung und zelteten gerne am See. Hier setzt Dresen an, der das Schicksal der Freunde in zeitlich versetzten Szenen erzählt. Dreh- und Angelpunkt ist Hilde, deren stillen Anstand und integre Bescheidenheit Dresen „betörend“ fand. Ihre ruhige Selbstgewissheit fängt er in seinem sehr zu Herzen gehenden Werk elegant ein. Einen Film über die Nazizeit, aber nahezu ohne Nazis hat er gedreht. Dresen wollte ohne „Hakenkreuzfahnen, Stiefelgepolter und Sepiatöne“ auskommen, erklärte er bei der Pressekonferenz in Berlin.
Das ist ihm gelungen. Dresens Mitglieder der „Roten Kapelle“ sind tapfere und auch ein bisschen leichtsinnige junge Menschen, die sich in ihren Träumen nicht allzu stark unterscheiden von der Jugend heute. Die zeitlos wirkende Inszenierung konzentriert sich nicht auf den heroischen antifaschistischen Kampf der Gruppe, sondern auf das Verlieben, das Musizieren am Lagerfeuer, das Eisessen, die Mode und das Motorradfahren.
Die politische Aktualität könnte trotzdem nicht größer sein. Unweigerlich denkt man an Widerstandsgruppen der Gegenwart, an Nawalny, an die Menschen in Belarus oder Hongkong. „Der Terror ist nicht so weit weg, wie wir immer glauben“, sagt Dresen. Auch die kleinen Gesten der Freundlichkeit der Knastwärterin machen das System nicht weniger inhuman. Nur verständlicher. Und zeigen eindringlich die schreckliche Verführbarkeit aller.
In der DDR kannte jedes Kind die Namen der Mitglieder der „Roten Kapelle“. Höchste Zeit, dass man deren Schicksal auch im ehemaligen Westdeutschland gebührend zur Kenntnis nimmt. Kaum zwei Tage um, hat die Berlinale schon einen heißen Kandidaten für den Goldenen Bären.
Hilde Coppis Sohn Hans jr. nahm an der Premiere teil