Münchens heißeste Party

von Redaktion

Die Jazzrausch Bigband feiert zehnten Geburtstag in der ausverkauften Kleinen Olympiahalle

VON MICHAEL SCHLEICHER

Sieben Stunden bevor er mit seiner Jazzrausch Bigband am Samstag auf die Bühne der Kleinen Olympiahalle geht, veröffentlicht Roman Sladek ein Video im Internet. Erstaunlich still – zumindest für seine Verhältnisse – steht der Posaunist und Gründer der Combo vor der Kamera, das Fenster in seinem Rücken gibt den Blick auf Münchens Olympiapark frei. „Und hier wird vielleicht morgen kein Turm mehr stehen“, sagt der Musiker. Schließlich gibt’s ordentlich was zu feiern.

Als Studenten-Truppe hat die Jazzrausch Bigband vor zehn Jahren erstmals im Rausch&Töchter aufgespielt, danach ging’s als Hausband ins Harry Klein, wo die Musikerinnen und Musiker allen Tanzbiestern, Feierwütigen und Nachtgestalten gaben, wonach jene gierten: einen mitreißenden, druckvoll interpretierten Mix aus Jazz, Klassik und Techno, von Komponist Leonhard Kuhn virtuos und gern mit einem Augenzwinkern arrangiert.

Das Prinzip ist so simpel wie genial, bestechend und bewegend: Percussion, Schlagwerk, Tuba und Drum-Maschine zimmern ein stabiles Fundament in den Raum; darauf flirren, kugeln und hüpfen die Soli. Jeder und jede darf mal an die Rampe, alle werden sie gefeiert – vom Publikum, von den Kollegen.

Die Jazzrausch Bigband hat sich in der ersten Dekade ihres Bestehens eine Präzision im Miteinander der jeweiligen Instrumentengruppen erarbeitet, die allein ob der Größe des Spektakels erstaunt. Längst tourt man weltweit; von April an nennt die Truppe zudem das neue Bergson-Kunstkraftwerk in Münchens Westen ihre Heimstatt (siehe Kasten).

All das jedoch ist Theorie, was zählt, ist auf dem Platz: Und zum Geburtstag haben sich die Frauen und Männer (um die 16 sind meist auf der Bühne) eine heftige Herausforderung gesucht. Die Kleine Olympiahalle ist der Unort unter Münchens Konzerthäusern, ein akustischer Pflegefall. Doch an diesem Samstag klingt sie bestechend fidel: Der Sound, den Josy Friebel am Mischpult destilliert, ist klar, wuchtig, scharfkantig – und allerorts. Die mehr als 3300 Menschen im ausverkauften Saal baden in Musik dank eines Surround-Systems, das auch das Bergson beschallen soll. Es kann sich hören lassen.

Gespielt wird ein Querschnitt des Schaffens, wobei die Gruppe keinen Zweifel lässt, dass die Ansage ihres Bandleaders „Bevor die Party so richtig eskaliert, müssen wir ein bisschen Kultur machen“ Humbug ist: Das eine bedingt hier das andere. Zu Beginn bringt „Dancing Wittgenstein“ die Menge auf Betriebstemperatur, die eh relativ hoch ist. Mit Sarah Mettenleiter und Patricia Römer sind zudem Sängerinnen auf der Bühne, die mal kraftvoll, mal lässig auf der Bugwelle des Sounds surfen. Der Dialog zwischen Mettenleiter und dem Tuba-Spiel von Jutta Keeß bei „Transformation“ ist ein Höhepunkt, „AI 101“ mit Römer am Mikro ein weiterer. Und wenn Hugo Ball (1886-1927) die Jazzrausch-Version seines Gedichts „Der Literat“ gekannt hätte, die hier nochmals satter in den Saal schwappt: Dada wäre keine Bewegung geworden, sondern ein Tanzturnier.

Ach ja: Der Olympiaturm steht am Sonntag in der Früh noch. Wer allerdings genau schaut, erkennt, dass er jetzt einen neongelben Jazzrausch-Smiley an der Fassade kleben hat.

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