Kunst auf Rädern

von Redaktion

Sportlich zu den Ausstellungen in Bernried, Kochel, Murnau und Penzberg

VON KATJA KRAFT

Auch so was: Fahrradfahren. Gabriele Münter (1877-1962) tat’s zu einer Zeit, als eine Frau mit Sattel zwischen beiden Beinen noch als obszön galt. Doch die Münter pfiff auf Etikette, schneiderte sich Hosen und radelte durch ihr geliebtes Fünfseenland. Und welch ein Glück: Heute können Frauen ihr das völlig frei nachtun. Sollten sie, genau wie Männer, Kinder, jeder Mensch. Wer durchs bayerische Oberland radelt, versteht sofort, warum so viele Künstlerinnen und Künstler sich hier niederließen. Belebende Natur, die inspiriert.

Praktischerweise haben sich das Münchner Lenbachhaus, das Buchheim Museum Bernried, das Schlossmuseum Murnau, das Franz Marc Museum in Kochel und das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk zur „MuSeenLandschaft Expressionismus“ zusammengetan. Kauft man ein Ticket in einem von ihnen, kann man die vier anderen ermäßigt besuchen. Die dafür benötigte MuSeenkarte gibt es gratis in den beteiligten Häusern. Gestern haben sie ihre Programme für 2024 vorgestellt. Aufs Rad geschwungen und losgedüst!

Lenbachhaus München

Matthias Mühling hat’s selbst ausprobiert. Der Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus ist vergangenes Jahr mit dem Radl von Museum zu Museum durchs Oberland gefahren. Hat sich abgestrampelt für die Kunst. Wenn er davon erzählt, klingt’s aber durch und durch nach: Genuss mit allen Sinnen. Weil die Vereinigung „MuSeenLandschaft Expressionismus“ mit dem Tourismusverband zusammenarbeitet, kann man sich auf der Tour darauf verlassen, dass einem dabei auch ausreichend Hinweise auf Gastronomie, Hotellerie, sonstige Sehenswürdigkeiten gegeben werden. Wer in München startet, kann im Lenbachhaus noch bis 10. März die phänomenalen Werke von William Turner (1775-1851) anschauen (wir berichteten). Ab 12. März folgt dann ein Highlight für alle Fans des Blauen Reiter: Deren Werke werden völlig neu präsentiert. Darunter auch wichtige Ankäufe der vergangenen Jahre, die die reiche Sammlung des Lenbachhauses um weniger bekannte Positionen erweitern. Bei der Künstlergruppe Blauer Reiter denkt man zunächst an Münter, Wassily Kandinsky (1866-1944), Franz Marc (1880-1916). Mühling, bekannt dafür, über den eigenen Tellerrand weit hinauszublicken, ist es wichtig, auch die zu zeigen, die drohen vergessen zu werden. Elisabeth Epstein (1879-1956) beispielsweise.

Buchheim Museum Bernried

Im Buchheim Museum in Bernried angekommen, schwingt man sich vom Fahrradsattel am besten erst einmal auf eine der Schaukeln, die seit vergangenem Jahr unter dem Museumssteg hängen. Sie bewegen sich nicht nur, sondern machen auch Musik. Die perfekte Erholung mit Blick auf den Starnberger See.

Nach dieser Pause dann hinein ins Haus. Dort läuft noch bis 7. April die Ausstellung „Leo von König. Liebe, Kunst & Konventionen“ (wir berichteten). Ab 16. März beschäftigt sich eine neue Studio-Schau mit Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim als Sammler, Händler und Akteur des Kunstmarkts. Stichwort: Provenienzforschung. Im Sommer soll es ein „Samselsurium“ geben: Ab 29. Juni feiert das Haus die bunte Welt rund um die Figuren von Autor Paul Maar. Wenn das nicht das perfekte Familienausflugsziel ist.

Schlossmuseum Murnau

Das Schlossmuseum Murnau hat vergangenes Jahr wie berichtet 30. Geburtstag gefeiert. Zum Jubiläum gab’s gleich mehrere Geschenke: So hat durch den Abschluss der mehrjährigen Umbaumaßnahmen seit Dezember wieder das gesamte Haus geöffnet. Die neu eingerichteten Abteilungen „Wunderkammer“ und „Marktplatz“ erzählen auf charmante Weise die spannende Geschichte des Ortes und all der Menschen, die hier gelebt haben, neu. Ab 13. Juli lädt die Ausstellung „Drucken ist ein Abenteuer“ dazu ein, sich mit dem Künstler HAP Grieshaber (1909-1981) näher zu beschäftigen. Seine faszinierenden Handdrucke der 1950er-Jahre stehen im Mittelpunkt der Schau.

Franz Marc Museum Kochel am See

Mit einem weinenden Auge blickt man derweil nach Kochel am See. Denn wie berichtet wird Cathrin Klingsöhr-Leroy die Leitung des dortigen Franz Marc Museums abgeben. Mitte April übernimmt Jessica Keilholz-Busch vom Lehmbruck-Museum in Duisburg. „Sie wird schon einige Wochen zuvor bei uns sein, für einen fließenden Übergang“, erzählt Klingsöhr-Leroy gestern im Gespräch. Und freut sich jetzt erst einmal auf ihre zwei letzten großen Ausstellungen.

Für die Schau „Mit anderen Augen“ (ab 24. März) hat sie drei Frauen gebeten, aus weiblicher Perspektive auf die Sammlung des Hauses zu blicken. Die Künstlerin Karin Kneffel, die Romanistin Barbara Vinken, die Kunsthistorikerin Julia Voss und Cathrin Klingsöhr-Leroy selbst werden spannende Verbindungen innerhalb der Sammlung aufzeigen. Ab 7. Juli läuft dann noch die von der jetzigen Chefin angestoßene Ausstellung „Rotwild. Franz Marcs Rehe“. Das Lieblingstier des Künstlers wird hier in einen größeren Kontext gebracht: Das Motiv des unschuldigen Rehs, das der Grausamkeit des Menschen gegenübergestellt wird, nutzten neben Marc viele weitere Künstler – von Flaubert bis Walt Disney.

Museum Penzberg

Auch das Museum Penzberg –Sammlung Campendonk wagt einen neuen Blick: auf die Dauerausstellung zu Heinrich Campendonk (1889-1957), die ab Mitte Juli überarbeitet präsentiert werden soll. Bereits ab 23. März ist in Penzberg die Schau „Heinz Kreutz: Frankfurt, Paris, Penzberg“ zu sehen. Sie bietet einen umfassenden Einblick in das Werk des Künstlers, der von 1923 bis 2016 in Frankfurt, Paris und Antdorf bei Penzberg gewirkt hat. Er hinterfragte die Grundlagen der Malerei und setzte sich mit großen Denkern von Goethe bis Schopenhauer auseinander. Dass auch ihn die Farben des Fünfseenlands geprägt haben müssen, kann ein jeder hier erleben. Der Frühling darf kommen!

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