Gefährliche Liebschaften

von Redaktion

Das Teamtheater lässt Ingeborg Bachmanns „Der gute Gott von Manhattan“ aufleben

VON ALEXANDER ALTMANN

Ach Gott, man hätte es ahnen können: Nicht nur alte weiße Männer, sondern auch alte weiße Götter kriegen natürlich mal wieder eine Extrawurst! „Der gute Gott von Manhattan“ etwa, in Ingeborg Bachmanns gleichnamigem Hörspiel von 1958, gesteht vor Gericht zwar einen Mord, wird aber trotzdem nicht eingekastelt. Vielleicht hat Ausstatter Michele Lorenzini deshalb drei offene, wandlose Riesenkastel ins Münchner Teamtheater Tankstelle gestellt, das den halb vergessenen Bachmann-Klassiker jetzt dramatisierte. Und tatsächlich besitzt diese Geschichte immer noch eine gewisse Sprengkraft, um im Bild zu bleiben. Denn der „gute Gott“ tötet durch Bombenattentate junge Liebespaare, deren Gefühle das gesellschaftlich „nützliche“ Maß überschreiten: die absolute, alle Grenzen sprengende Liebe hat ein derart anarchisch-subversives Potenzial, dass sie „die Welt infrage stellen“ würde. Darum kann der Richter als Vertreter der bestehenden Ordnung den Attentäter am Ende nicht verurteilen.

Regisseur Jacoub Eisa hat eine gute Balance gefunden, indem er zwar mehr als nur ein bebildertes Hörspiel inszeniert, aber andererseits zu viel szenischen Aktionismus vermeidet und voller Gottvertrauen auf die Wirkung der Worte setzt. Vor allem aber setzt er auf einen gewissen Retro-Charme, und so verwundert es nicht, dass der heimliche Star des Abends ein türkisfarbener Erdnussautomat aus den Fünfzigerjahren ist, eine echte Antiquität, die fast schon als „deus ex machina“ (Gott aus der Maschine) durchgehen könnte. Dazu dudelt immer wieder der satte Jazz jener Jahre aus den Lautsprechern.

Und natürlich lassen auch die Schauspieler den gutherzig-realistischen Darstellungsstil aufleben, der damals sehr verbreitet war. Frank Sollmann in der Titelrolle ist ein höflich-souveräner Herr mit Hut und elegantem Zweireiher, fast schon ein Grandseigneur, wenn da nicht seine froschgrünen Motivsocken als typisch US-amerikanische Geschmacklosigkeit wären. Chiara Penzel und Richard Ciuchendea als junges Liebespaar lassen ihr gefährlich entgrenzendes Glück changieren zwischen verzweifeltem Spiel und Obsession, während Ursula Deuker als Richter unverbindliche Distanz mit Verständnis paart.

Dieses ganze Vintage-Aroma passt schon deshalb, weil Ingeborg Bachmanns einst berühmtes, preisgekröntes Hörspiel aus heutiger Perspektive doch eine Menge Staub und Patina angesetzt hat. Neben großartigen poetischen Passagen gibt es da auch Textstellen voll peinlicher Bemühtheit. Wenn der Text trotz solcher Schwächen aber immer noch eine beachtliche Wirkung zeigt, dann liegt das an seinem Irritationspotenzial: Dass die Liebe hier als revolutionärer Rausch gefeiert, aber zugleich ein destruktiver Zug in ihr ausgemacht wird – solche ambivalenten „Botschaften“ scheinen schwer zu ertragen in unseren nach simpler Eindeutigkeit gierenden Zeiten. Und gegen diese „Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens“. Herzlicher Beifall.

Weitere Aufführungen

am 23., 24., 28. und 29. Februar sowie im März. Tickets unter Telefon 089/260 66 36.

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