Doppelgängereffekt

von Redaktion

Die Londoner in der Isarphilharmonie

VON ANNA SCHÜRMER

Wie ein Spiegelbild stehen sich am Montagabend auf der Bühnenmitte der Isarphilharmonie zwei Steinways gegenüber. Noch sind die großen Flügel der beiden ineinander verschlungenen Instrumente geschlossen und geben den Blick auf das Dirigentenpodest frei – auf dem Karina Canellakis, die erste Gastdirigentin des London Philharmonic Orchestra, den Taktstock zum Amuse Gueule des Konzertabends hebt – Modest Mussorgskys „Morgendämmerung am Ufer der Moskwa“, das so farbenreich von Dmitri Schostakowitsch orchestrierte Prelude der Oper „Chowanschtschina“, dessen getragene Glockenschläge und lieblichen Streichermelodien Canellakis in intensiver Interaktion mit dem Orchester spannungsreich in Szene setzt.

Danach öffnen sich die Flügel der beiden Steinways für Lucas und Arthur Jussen, die Shootingstars der Pianistenzunft, die Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für zwei Klaviere und Orchester Es-Dur spiegelbildlich in Angriff nehmen. Tatsächlich könnten die Brüder in ihren identischen Anzügen als zwillingshafte Doppelgänger durchgehen, darüber hinaus inszenieren die Niederländer die von Mozart kompositorisch gesetzten Spiegelstadien der beiden Klavierstimmen in einem solch blinden Verstehen, dass die Symmetrie ihrer Interpretation manchmal fast ins Unheimliche umschlägt. Vielleicht täten die Jussens gut daran, einmal ihre kreativen Differenzen auszuloten – und ihre brüderliche Eintracht ein Stück weit zu irritieren, anstatt auf den unbestreitbar bühnenwirksamen Doppelgängereffekt zu setzen.

Nach der Pause dann gehört die Bühnenmitte ganz Karina Canellakis, die das London Philharmonic Orchestra großartig auf Peter Tschaikowskys Symphonie Nr. 4 f-Moll eingestimmt hat – vom ersten fetten Einsatz an unterstreichen insbesondere die Blechbläser ihre Klasse mit akkuratestem Powerplay, was die Holzbläser mit umso süßerer Melodieführung beantworten, während die Streicher die kollektive Strahlkraft des Tutti zelebrieren.

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