Disziplin und Rebellion

von Redaktion

Uschi Glas stellt ihre Autobiografie im Münchner Literaturhaus vor

VON STEFANIE THYSSEN

Da steht sie nun. Gerührt und angefasst. Ist da eine Träne im Auge? Das Publikum im Münchner Literaturhaus – Familie, Freunde, Weggefährten, vor allem Fans – erhebt sich, spendet langen, warmen Applaus. Eine schöne Stimmung ist das, rund anderthalb Stunden, nachdem Uschi Glas aus ihrem Buch gelesen hat, das anlässlich ihres 80. Geburtstags an diesem Samstag erschienen ist. Und sie hat erzählt: Geschichten aus ihrem Leben, unterhaltsame Anekdoten (sie hatte einen Kater namens Oliver Kahn), aber auch manch traurige Erinnerung, geteilt im Gespräch mit Moderator Hannes Ringlstetter, der liebevoll und charmant durch den Abend führt.

„Ein Schätzchen war ich nie“ ist die Biografie, das dritte Buch des Stars, überschrieben. Eine Anspielung auf einen ihrer größten Erfolge: „Zur Sache, Schätzchen“ von 1968 – und gleichzeitig größtmögliche Abgrenzung zum Image, das man ihr damals gern verpasst hätte, das aber so gar nicht zu der Uschi passte, wie sie sich im Buch beschreibt (und im Leben tatsächlich auch ist). Auf den gut 200 Seiten gehe es um sie als politischen Menschen, sagt Uschi Glas. Nicht im parteipolitischen Sinn: Auch wenn sie wegen ihrer Nähe zur Strauß-CSU die „schwarze Uschi“ genannt, besser gesagt: geschimpft wurde – vereinnahmen ließ sie sich nie, schon gar nicht von einer Partei.

Politisch meine das Rebellische in ihr, sagt sie. „Im Grunde schwamm ich in allen Lebensphasen gegen den Strom“, heißt es auch im Buch. Und zwar von Kindesbeinen an. Aufgewachsen im niederbayerischen Landau hatte sie zum Vater – er Sozialdemokrat mit Leib und Seele und „streng, sehr streng“ – ein schwieriges Verhältnis. Sagte er „hü“, meinte sie „hott“. Wenn überhaupt geredet wurde, daheim, in den Nachkriegsjahren. Die Beziehung zur Mutter war inniger. Bei der Lesung stockt Uschi Glas die Stimme, als es um die Erinnerung an sie geht. Es waren trotzdem beide Eltern, die nicht glücklich darüber waren, dass ihre jüngste Tochter sie vor vollendete Tatsachen stellte und erklärte (wir sind in den Sechzigern), dass sie nun Schauspielerin sei: „Um Himmels willen! Uschi!“

Auf einer Filmpremiere in München hatte sie den Produzenten Horst Wendlandt kennengelernt. Er war angetan von ihrer Chuzpe („Mir hat die und die Stelle im Film ganz und gar nicht gefallen“), besetzte sie für den Edgar-Wallace-Krimi „Der unheimliche Mönch“. Im selben Jahr, 1966, schon der Durchbruch als  Halbblut Apanatschi an der Seite von Pierre Brice in „Winnetou“. 1968 folgte „Zur Sache, Schätzchen“. Legendär die Szene, in der sich die bildschöne Glas als Barbara auf der Polizeiwache auszieht. Aber – sie ist eben nicht nackt, als sie ihr Kleid fallen lässt, sondern trägt diese Corsage, die Filmgeschichte schreiben sollte. Eigentlich hätte Glas nach dem Wunsch der Regisseurin May Spils (ja, eine Frau!) blitzblank dastehen sollen. Aber Nacktaufnahmen, zu der Zeit für viele Schauspielerinnen ein Akt der Emanzipation, lehnte die Bayerin strikt ab („Was soll daran emanzipiert sein?“), es gibt keine von ihr. Dabei hätte auch der „Playboy“ gut gezahlt. Aber: Gegen den Strom. Immer.

Als die meisten Filmschaffenden in den Sechziger- und Siebzigerjahren für Willy Brandt trommelten, tat sie das demonstrativ nicht. Wenn Kollege Werner Enke am Set von „Zur Sache, Schätzchen“ unpünktlich war oder lieber rauchen als drehen wollte, kuschte sie nicht, sondern stellte ihn zur Rede. In „Trio Infernal“ sollte Glas neben Romy Schneider und Michel Piccoli besetzt werden, lehnte jedoch ab, weil sie sich nicht in die Figur hineinversetzen konnte („Meine Agentin hat mich für verrückt erklärt!“). Und ihren ersten Mann wollte sie auch nicht dann heiraten, als der gemeinsame erste Sohn schon geboren war.

Solche „Mit-mir-nicht!“-Geschichten gibt es eine ganze Reihe aus ihrem Leben – und in ihrer Filmografie mit den vielen starken Frauen-Rollen, die diese „Jetzt erst recht, Euch zeig ich’s“-Haltung aus jeder Pore des immerschlanken Körpers („Konsequenz und Disziplin“) atmen. Uschi Glas hat große Freude daran, die Rebellin zu spielen. Und zu sein. Einen etwas befremdlichen Moment gibt es auch an diesem Abend im Literaturhaus. Da geht es um Franz Josef Strauß, vor allem aber um seine Frau Marianne, mit der Uschi Glas gut konnte. Die Schauspielerin  deutet an, dass sie nicht glaube, dass ein Unfall Bayerns einstige First Lady das Leben gekostet habe. Schwer nachgeholfen habe da jemand, behauptet sie. Raunen im Publikum, ein verdutzter Hannes Ringlstetter fragt kurz nach, bekommt keine wirkliche Antwort – und belässt es wohlweislich dabei.

Am Ende stehen die Menschen Schlange, manche haben Blumen mitgebracht, und lassen sich ihr Exemplar von „Ein Schätzchen war ich nie“ signieren. Mit stoischer Ruhe und viel Freude schreibt und schreibt Uschi Glas, die Stilettos trägt, auf denen manch 30-Jährige nicht laufen könnte, ihren Namen in die frisch gekauften Bücher, in denen sie eine Menge preisgibt von sich. Gewiss nicht alles, das schreibt sie selbst am Schluss der Biografie. Ein paar Geheimnisse gönnt sich Uschi Glas. Und das ist gut so. Das Tränchen nach dem Applaus behält sie auch für sich.

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