Romantischer Realist

von Redaktion

AUSSTELLUNG Das Buchheim Museum zeigt Werke von Franz S. Gebhardt-Westerbuchberg

VON FREIA OLIV

Heute noch der „Was-kostet-die Welt“-Höhenflug, morgen der Absturz in tiefe Zweifel: Solche Momente kennt jeder. Nur geben das die wenigsten zu. Gesicht wahren, Fassade aufrechterhalten: Der Gesellschaftscodex setzt auf Schein statt Sein. Deshalb ist einer wie Franz S. Gebhardt-Westerbuchberg (1895-1969) wichtig. Seine Selbstporträts würden auf jedem Sozialen Netzwerk durchfallen. Auch seine Landschaften sind alles andere als Hochglanz-Illusionen. Ob das dann jemand sehen will?

Das Buchheim Museum in Bernried ist überzeugt davon. Es traut sich, mit dem „Porträt eines Malerlebens“ von jeder Effekthascherei abzurücken. Trotzdem ist der erste Blick in die Ausstellung ein überraschender: eine eigenartige, matte Hell-Dunkel-Stimmung. Lichte Landschaften sprenkeln Romantik in den Raum. Biblische Themen halten mit ihrer dunklen Mächtigkeit auf Abstand. Seltsam diffundierende Gesichter lösen dagegen unwillkürlich den Reflex aus, näher zu kommen, begreifen zu wollen.

Franz S. Gebhardt-Westerbuchberg setzt die Selbstbefragung an die Stelle der Selbstinszenierung. Weder war er in der Gesellschaft verankert, noch schwamm er auf der modernen abstrakten Welle mit. Als „expressiver Realist“ gehörte er zur „verschollenen Generation“, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geriet, für die sich der Sammler Joseph Hierling einsetzt und für dessen Zustiftung in Bernried ein Saal angebaut wird.

Bis auf ein Werk ist die Ausstellung aus seiner Sammlung bestückt. Dass die Präsentation jetzt vom Bernrieder Interimsdirektor Erich Schneider gestaltet wurde, ist eine Fügung des Schicksals: Die beiden kennen sich noch aus der Zeit, als Hierling mit der Kunsthalle Schweinfurt kooperierte. Die Ausstellung hangelt sich an der chronologischen Abfolge der Selbstporträts entlang. Start ist 1923: Mit Malerkittel und Fliege zeigt sich ein forscher, forschender Akademiestudent. Als cooler Bohemien mit der obligatorischen Zigarette lässig im Mundwinkel ein Jahr später. Er darf auch stolz sein, denn er hat eine ruppige Jugend hinter sich. Die Mutter starb, als er drei Jahre alt war. Vor dem Regiment der Stiefmutter flüchtete er mit 13 in eine Hotel-Lehre. Mit 19 erwischte ihn der Erste Weltkrieg in London, er kam in ein Internierungslager, lernte dort das Zeichnen und ging erst danach auf die Kunstgewerbeschule und die Akademie in München.

Die eher konservative Ausbildung und die Verantwortung, die er für seine Familie übernahm, ist 1937 zu spüren: Der Vater mit Malerutensilien beherrscht ernst den Vordergrund, Frau und Söhne sind Rahmenfiguren. Er war Künstler und Bauer zugleich: 1934 kaufte er einen Bauernhof auf dem Westerbuchberg am Chiemsee, 13 Jahre lang arbeitet er tagsüber auf dem Feld und abends im Atelier. Den Zweiten Weltkrieg überlebt er als Zeichner. Auch wenn er eine Professur während der NS-Zeit verweigerte, atmen einige Bilder den Geist der Zeit. „Blut- und Boden-Bilder gibt es aber nicht“, so Hierling.

Der Künstler hat über die Kriegszeit kaum gesprochen. Vielmehr bewältigte er die Erfahrungen malerisch wie im Tyll-Zyklus nach dem Roman „Ulenspiegel“ von Charles de Coster (1867): Ausgehend vom Freiheitskrieg der Flamen gegen die Spanier wurde dieses Thema in den Jahren ab 1945 ikonisiert. Die 36 Kleinformate zeigen derbe Tumbheit und düstere Momente im Stile der alten Niederländer mit modernem Mut zur Hässlichkeit. Gewagt interpretiert er auch biblische Szenerien in rauem Hell-Dunkel. Gegenpole dazu sind die Landschaften: Die Natur erweist sich als heilsame Welt, die der Düsternis viel changierendes Weiß entgegensetzt, viel Bewegung, die Liebe zum Detail und das Atmen der Weite. Romantik, Impressionismus, Realismus und eine eigene Lichtspur bestimmen das Werk. Auch auf den vielen Reisen kristallisiert sich eine Vielschichtigkeit heraus. Dass immer mehr auch das Transparente (oder Transzendente) durchscheint, entspricht der Brüchigkeit des Alters. Man nimmt sich schließlich immer selbst mit, egal, wohin man auch geht.

Informationen:

2. März bis 9. Juni,

Di. bis So. 10 bis 17 Uhr, ab April bis 18 Uhr.

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