„Worüber müssen wir reden?“

von Redaktion

Das Münchner Volkstheater lädt wieder zum Festival „Radikal jung“

VON ULRIKE FRICK

Während der Pandemie hat es jeder irgendwann bemerkt: dass die Kultur wichtig ist. Ein Futter für den Geist und die Seele. Ein heilender Balsam. Dringend benötigter Trost in schwierigen Zeiten. Wie herrlich, wenn sich das alles noch im Rahmen eines Festivals verbinden lässt mit dem lebendigen Austausch Gleichgesinnter. Keine Frage also: „Radikal jung 2024 – Das Festival für junge Regie“ ist gerade in einer immer ein bisschen schnell allzu saturierten Stadt wie München höchst notwendig. Seit 2005 findet es alljährlich im Frühling im Münchner Volkstheater statt. Frischer Wind für Schauspielfans, vom Publikum begeistert angenommen.

„Dass die Leute seit Corona nicht mehr ins Theater gehen, sehe ich nicht. Im Gegenteil: Die Leute wollen dabei sein, die wollen diskutieren“, erzählt Intendant Christian Stückl und verweist mit Stolz auf eine Auslastung von 96 Prozent während des Regiefestivals im vergangenen Jahr. „,Radikal jung‘ ist genau der richtige Platz, um zu prüfen: Worüber müssen wir reden? Wo läuft das alles hin?“ Er selbst kenne die 14  heuer eingeladenen Inszenierungen noch nicht und sei daher extrem gespannt, was sich vom 19. bis 27. April in seinem Haus ereignen werde.

„Sich offen machen fürs Miteinander-Reden“, das sei momentan so wichtig wie selten zuvor. „Es geht nur noch um die richtige oder falsche Position“, und dabei sei doch gerade der Austausch, das gemeinsame Ringen um Antworten entscheidend für die Gesellschaft. Ob das Theater die Gesellschaft wirklich verändern könne, da sei er sich nicht mehr ganz so sicher, gesteht Stückl. Aber das Theater könne einen Ort für das Gespräch bieten. Was in politisch derart aufgeregten Zeiten immens wichtig sei. Und was das aktuelle Vorhaben der Stadt, ausgerechnet an der Kultur pauschal zehn Prozent einsparen zu wollen, umso verheerender wirken lasse.

„Radikal jung“-Festivalleiter Jens Hillje hat mit dem dreiköpfigen Kuratorium (Regisseur Florian Fischer sowie die Kritiker C. Bernd Sucher und Christine Wahl) ein spektakuläres Programm junger Regiearbeiten aus ganz Europa zusammengestellt. „Die Kunst des Zuhörens ist den Menschen in den letzten Jahren etwas verloren gegangen“, sagt Hillje. Umso entscheidender sei es daher, im Austausch zu bleiben.

Produktionen wie Fatma Aydemirs Goethe-Neuinterpretation „Doktormutter Faust“ vom Schauspiel Essen dürften da sicherlich einen spannenden Diskurs eröffnen. Nicht nur wegen der feministischen oder migrantischen Perspektive. Eine Auseinandersetzung mit der Pandemie, mit Themen wie Krankheit und Tod, findet sich häufig in den geladenen Arbeiten. Zum Beispiel bei Adrian Figueroas Bühnenbearbeitung des Wolfgang Herrndorf-Texts „Arbeit und Struktur“ für das Düsseldorfer Schauspielhaus, Jan Friedrichs Theateradaption des preisgekrönten Romans „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon für das Theater Magdeburg oder „Goodbye, Lindita“ vom Griechischen Nationaltheater Athen. Der gebürtige Albaner Mario Banushi setzt sich hier als Autor und Schauspieler mit den Themen Migration und Tod anhand des Lebens der eigenen Großmutter auseinander. In einer wortlosen, universell verständlichen Performance.

Rassismus, Klassismus und Polizeigewalt verhandelt das. Murat Dikenci verfasste und inszenierte NSU-Stück „Die Gerächten“. Vielversprechend klingt auch „Das Kraftwerk – Ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit“, den des Staatstheater Cottbus mit dem Recherchenetzwerk Correctiv in der Regie von Aram Tafreshian erstellt hat. Es geht um Wasserknappheit, um die Energieversorgung der Zukunft und den Strukturwandel. Flankiert werden alle Aufführungen von einem Rahmenprogramm mit vielen Möglichkeiten zum Gespräch.

Karten und Informationen

unter www.muenchner-volkstheater.de/programm/radikal-jung/das-festival.

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