Jetzt hört man sie schon wieder nörgeln, die Schlaumeier: „Waaas? Eine Ausstellung nur mit den Werken von Künstlerinnen? Und was ist mit den Männern?“ Dabei wird umgekehrt ein Stöckelschuh draus: Wie viele Jahrhunderte lang hingen einzig die Werke von Männern in Museen, Salons, Galerien – und keiner hat’s beanstandet. „Gleichberechtigung gibt es nicht nur in dieser Hinsicht noch immer nicht“, betont Tobias Sehr. Deshalb lädt er in seinem Projektraum Munich Art jetzt zum zweiten Mal zur „Female Show“. Vom heutigen Weltfrauentag an präsentieren sich darin 22 Künstlerinnen aus München, fünf aus Bayern, 15 aus dem Rest von Deutschland und zwei internationale.
66 Werke von 54 Ladys auf engstem Raum also – aber keine Angst, niemand muss Sorge haben, von so viel Frauenpower erschlagen zu werden. Ganz bewusst hat Kuratorin Josephine Kaiser eine solch hohe Zahl an Arbeiten ausgewählt, lässt die Wände der Munich Art Gallery förmlich überborden. Um gleich mal zwei grundlegende Probleme aufzuzeigen: Es gibt auf dieser Welt so viel mehr brillante Künstlerinnen, als in der öffentlichen Wahrnehmung präsent; und es ist in Städten wie München zu wenig Raum da, in dem sie sich und ihre Arbeiten zeigen können.
Letzteres gilt zugegebenermaßen auch für die Männer. Doch Fakt ist: Selbst im 21. Jahrhundert unterrichten noch immer mehr Professoren an den weltweiten Kunsthochschulen als Professorinnen und dominieren männliche Kunstschaffende die Ausstellungshäuser, die Galerien, die Messen, die Museen. Und es wird fast ausschließlich von Künstlern statt von Künstlerinnen in den Schulbüchern erzählt.
Die Frage aller Fragen ist jetzt natürlich: Kann man in all den Werken, die nun im Projektraum Munich Art zu sehen sind, eine gemeinsame Handschrift erkennen? Kurzum: Gibt es sie, die weibliche Kunst? Kaiser schüttelt den Kopf. Wobei – anfangs war sie davon überzeugt, dass es sie gibt. „Doch inzwischen muss ich sagen: Männliche oder weibliche Kunst, das sind überholte Zuschreibungen. Ich bin überzeugt, dass man ohne Blick auf den Künstlernamen nicht sehen kann, welches Geschlecht am Werk war.“
Entscheidend ist ohnehin nicht, wer eine Arbeit geschaffen hat. Entscheidend ist, was sie bei der Betrachterin, dem Betrachter auslöst. Und egal, ob Männlein oder Weiblein: Wer beispielsweise angesichts von Michaela Wührs Ölmalereien kein Sehnen spürt, hat nie erlebt, wie magisch Reisen ist. Die Münchner Künstlerin hat Holzplatten bemalt, die exakt die Form von Flugzeugfenstern haben. Zusammen hebt sie mit uns ab: von LaGuardia (New York), Ezeiza (Buenos Aires), Noi Bai (Hanoi). Oder sind wir schon im Landeanflug? 850 Euro kostet jedes der Bilder. Man will sie natürlich alle drei in sein Schlafzimmer hängen. Der erste Blick am Morgen: über den Wolken. Freiheit. Grenzenlos. Als man das Tobias Sehr und Josephine Kaiser sagt und laut den Gesamtpreis von 2550 Euro berechnet, passiert etwas Interessantes. Sofort meint Kaiser: „Wenn jemand alle drei kaufen möchte, können wir dann aber einen Preis von 2500 Euro ausmachen.“ Und Sehr hält inne: „Klar können wir das machen. Aber ein bisschen schräg ist es schon, dass Künstler und Künstlerinnen immer dazu neigen, von sich aus Rabatte anzubieten.“ Weg von der Bittstellerposition hin zum selbstbewussten Anbieten der hochwertigen Ware, für den Wert dahinter. Das wünscht sich Sehr für die gesamte Kunstszene. Und an einem Tag wie diesem möchte man anfügen: Gerade die Ladys sollten noch viel selbstverständlicher hinter dem stehen, was sie können. Wie vielfältig, wie präzise, wie gewitzt, wie gut sie sind: Diese Schau beweist’s.
Bis 20. April
im Projektraum Munich Art, Amalienstraße 14;
Mi.-Fr. 14 bis 18 Uhr, Samstag 14 bis 17 Uhr. Weitere Infos unter www.munichartgallery.de.