Überdehnter Sketch

von Redaktion

„Buchbinder Wanninger“ als Musical im Silbersaal des Deutschen Theaters

Von der berüchtigten deutschen Bürokratie können wir wohl alle ein Lied singen. So wie auch der Buchbinder Wanninger. Karl Valentins sympathischer Jedermann, der sich bei seinem geschäftlichen Telefonat so lange von einer Nebenstelle zur nächsten weiterverbinden lassen muss, bis er beinahe den Grund des Anrufs vergisst.

In der Musical-Adaption von Christian Auer und Karl-Heinz Hummel ist die Saubande, die mistige, von der Firma Meisel & Company inzwischen ins Filmgeschäft eingestiegen und hat ihr Büro in den Silbersaal des Deutschen Theaters verlegt. Und es geht einem bei diesem Stück-Import aus Füssen ähnlich wie dem Titelhelden. Allerdings mit vertauschten Rollen: Man wartet vor allem auf den Wanninger, der lediglich im 20-Minuten-Takt entnervt seine Anrufe startet, während dazwischen revueartige Szenen für den jüngsten Meisel-Tonfilm gedreht werden. So wird der ursprünglich vier Minuten und 37 Sekunden lange Sketch auf knapp zweieinhalb Stunden gestreckt. Was mindestens eine halbe Stunde zu viel ist.

Das fünfköpfige Ensemble schlägt sich dennoch mehr als wacker. Neben Henriette Schreiner und Tim Wilhelm vor allem Ferdinand Dörfler als Wanninger und grantelnder Beleuchter Anton. Er räumt ähnlich ab wie Tanja Maria Froidl, die sich als Sekretärin Emerenz Rembremerdeng für künftige Nockherberg-Singspiele empfiehlt. Mit auf der Bühne steht ebenfalls Komponist Christian Auer, der einen eklektischen Musikmix beisteuert und dafür auch bei Georges Bizet oder Hans Albers wildert. Und natürlich bei Valentin selbst. Wobei das „Chinesische Couplet“ des Meisters mit seinem „Wuschi Wuschi Hong Kong Tsching Tschong“-Text bei aller patriotisch-bayerischer Heldenverehrung womöglich nicht allzu gut gealtert ist. Ebenso wie Josephine Bakers Bananenröckchen, das Regisseur Benjamin Sahler für eine Dschungel-Episode aus der Mottenkiste holt.

Selbst wenn allem eine selbstironische Warnung vorausgeschickt wird, dass das Vokabular beim Ausflug in die gute alte Zeit „möglicherweise kulturell aneignend oder politisch unkorrekt wirken könnte“ – die jüngere Generation dürfte damit niemals nie nicht keine Freude ned haben. Aber die ist eh nicht die Zielgruppe. TOBIAS HELL

Bis 10. März

Telefon 089/ 55 23 44 44.

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