Auch wenn er sich um die Leitung der Salzburger Festspiele beworben hat: Zunächst gilt das Augenmerk von Serge Dorny der nächsten Saison an der Bayerischen Staatsoper. Am Samstag präsentierte er sie der Öffentlichkeit. Unter anderem startet der Intendant einen neuen „Ring des Nibelungen“.
Als wir uns an Ihrem früheren Amtssitz Lyon über Münchner Pläne unterhielten, meinten Sie: Wagners „Ring“ mache ich nicht, der blockiert zu viel. Warum nun doch?
Wir machen einen „Ring“, aber eben nicht in einer Spielzeit. Die würde sich dann komplett am „Ring“ orientieren, alles andere wäre Nebensache. Und das ist nicht kompatibel für ein Repertoirehaus. Der „Ring“ gehört einfach zur Bayerischen Staatsoper, zu ihrer künstlerischen, musikalischen Identität. „Rheingold“ und „Walküre“ sind hier uraufgeführt worden. Es gab seither 13 Produktionen. Dieses Repertoire macht auch den Klang des Bayerischen Staatsorchesters aus, alle Generalmusikdirektoren dirigierten den „Ring“. „Rheingold“ kommt im Oktober 2024 heraus, „Walküre“ im Juni 2026, danach folgen „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ relativ bald aufeinander, zu den Festspielen 2027 zeigen wir den kompletten „Ring“. Abgesehen von der künstlerischen und musikalischen Identität hat der „Ring“ eine immens politische Bedeutung in seinem Spannungsfeld zwischen Macht und Liebe. Loser wie Alberich können die brutalsten Machtmenschen sein. Und dafür gibt es viele Beispiele in unserer Gegenwart.
Muss ein Haus wie die Bayerische Staatsoper gerade in diesen Zeiten noch politischer werden?
Theater ist ein demokratischer und damit politischer Akt – um den Pluralismus unserer Gesellschaft zu bewahren. Auch unser Spielplan ist politisch. Nehmen Sie nur wie jetzt gerade „Die Passagierin“ oder vergangene Saison „Krieg und Frieden“. Oder als Christoph Marthaler Lehárs „Giuditta“ mit einem politischen Text von Ödön von Horváth angereichert hat. Auf unserer Bühne wird also sehr Aktuelles verhandelt.
Das Festival „Ja, Mai“ kehrt 2025 zurück. Weil wieder finanzielle Ressourcen vorhanden sind? Wie steht es um den Finanzrahmen der Staatsoper? Sie müssen bei eingefrorenem Etat zum Beispiel weiterhin Tarifsteigerungen abfangen.
Wir haben schon gesagt, dass „Ja, Mai“ alle zwei Jahre stattfinden und sich dabei nicht mit der Münchener Musiktheater-Biennale überschneiden soll. Für unser Haushaltsjahr 2024 gibt es noch keine finanzielle Sicherheit seitens des Freistaats. Was aber eine gute Nachricht ist: Wir hatten im Kalenderjahr ein ausgeglichenes Budget, der vom Freistaat genehmigte Haushalt für 2023 hatte also ausgereicht. Unsere Einnahmenstruktur, ob durch Kartenverkauf, Koproduktionen oder Sponsorengelder hat diese Ausgeglichenheit ermöglicht. Den Effekt der Tarifsteigerungen müssen wir beobachten. Wir sind aber optimistisch. Die Auslastung und die finanziellen Einnahmen der Spielzeit 2023/24 waren fast genauso wie vor der Corona-Zeit. Das unglaublich treue Publikum der Staatsoper ist Gold wert. Wir haben nach wie vor rund 20 000 Abonnenten und Abonnentinnen. An anderen Häusern sind die Abos um fast 50 Prozent eingebrochen. Eine Änderung gibt es allerdings wie überall: Die Menschen kaufen kurzfristiger Karten.
Finden Sie Ihren Etat zu niedrig?
Man muss bedenken, dass die Personalkosten in München sehr hoch sind. In einer teuren Stadt wie München zu leben und zu agieren ist nicht leicht. Nach der Corona-Zeit ist das noch komplizierter als früher. Das Problem ist bekannt: Für das gleiche Gehalt kann man in anderen Städten besser leben.
Es gibt im Freistaat einen Renovierungsstau, auch Ihr Haus soll generalsaniert werden. Fürchten Sie darum?
Es gibt 2025 eine Interimssanierung, dafür wird die Spielzeit 2025/26 um etwa sechs Wochen gekürzt. Dann werden die notwendigsten Arbeiten wie etwa beim Brandschutz vorgenommen. Die Generalsanierung steht momentan an für nach 2034. Wir kennen weltweit genügend Beispiele: Wenn eine solche Phase nur fünf Jahre dauert, ist man überglücklich. In München müssen wir wohl mit sieben Jahren rechnen. Und eine Sache haben wir aus der Corona-Zeit gelernt: Das Publikum wieder zu erreichen ist nicht unbedingt leicht. Man muss sich also unbedingt Gedanken über die Zeit der Sanierung machen.
Was mussten Sie lernen seit Ihrem Amtsantritt – auch was die Stückauswahl betrifft?
Es gibt hier ein sehr treues Publikum. Und es gibt eine Neugier auf Entdeckungen. In der kommenden Saison bringen wir drei für München neue Stücke. Zwei beim Festival „Ja, Mai“ und Faurés „Pénélope“, die wir zum 100. Todestag des Komponisten spielen. Die Hausgötter Wagner, Strauss und Mozart sind mit Premieren präsent. Und ein bekanntes Werk wie Donizettis „La fille du régiment“ wurde hier 90 Jahre lang nicht gespielt. Es wird drei Cluster geben. „Rheingold“ und als Widerhall „Die Liebe der Danae“, wo es ebenfalls um Macht und Liebe geht, aber mit einer anderen Antwort, plus „Pénélope“, mit der Fauré auch musikalisch auf Wagner reagiert. Der zweite Cluster ist Verismo: „Cavalleria rusticana“/ „Pagliacci“, „Katja Kabanova“ mit ihrem Familiendrama einer Dorfgesellschaft und „La fille du régiment“ als Anti-„Katja“. Und dann haben wir mit „Don Giovanni“ natürlich die „Oper aller Opern“.
Der „Ring“ soll bis 2027 fertig sein. Ihr Vertrag geht aber vorerst bis 2026. Wann erfahren wir etwas über die Verlängerung?
Wir alle, auch Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski und Staatsballettchef Laurent Hilaire, sind dafür verantwortlich, dass weiter in die Zukunft geplant wird – auch im Interesse eines funktionierenden Hauses. Eine Verlängerung liegt in den Händen des Kunstministeriums.
Und was sind Ihre persönlichen Pläne?
Wenn ich plane, heißt das, dass ich Interesse habe an der Zukunft der Bayerischen Staatsoper. Priorität hat das Haus, ich denke da nicht unbedingt an mich. Wenn wir weiter in der Champions League spielen wollen, müssen wir eben planen.
Das Gespräch führte Markus Thiel.