Von Wut gezeichnet

von Redaktion

Nora Krug illustriert den Alltag im Krieg

VON CHRISTINA HORSTEN

Ein Jahr lang hat die Illustratorin Nora Krug nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine den Alltag einer Journalistin in Kiew und eines Künstlers in St. Petersburg begleitet. Etwa im Wochentakt gaben ihr die beiden Updates über ihr Leben, ihre Arbeit, ihre Familien, ihre Ängste und ihre Sorgen. Herausgekommen ist das gerade auf Deutsch im Penguin-Verlag erschienene Buch „Im Krieg. Zwei illustrierte Tagebücher aus Kiew und St. Petersburg“. Während die ukrainische Journalistin versucht, ihre Familie in Dänemark in Sicherheit zu bringen und trotzdem immer wieder auch von der Front zu berichten, überlegt der russische Künstler, der mit dem Angriffskrieg seines Landes auf die Ukraine nicht einverstanden ist, wie er mit seiner Familie Russland verlassen kann.

„Für mich als Deutsche war das einfach ein sehr intensives Erlebnis, den Kriegsbeginn mitzubekommen aus der Ferne“, sagt die 1977 in Karlsruhe geborene Krug in ihrem Haus in Brooklyn. „Und man fühlt sich ja sehr hilflos. Ich würde mal sagen, in all meinen Büchern geht es eigentlich darum, dass ich gegen dieses Gefühl der Hilflosigkeit kämpfe und auch gegen die Wut, die man empfindet, wenn man hilflos solchen Dingen, die in der Welt passieren, tagtäglich gegenübersteht.“

Bereits in den ersten Kriegstagen 2022 kontaktierte Krug die Ukrainerin und den Russen, die sie zufällig und flüchtig kannte. „Ich habe sie gefragt, wie es sich für sie anfühlt, wie sie jetzt mit dieser neuen Realität umgehen. Beide haben sofort geantwortet – und ich habe gemerkt, diese Antworten sind so roh und verschaffen uns einfach so einen tiefen Einblick in die Alltagserfahrung des Krieges.“ Krug illustriert die Antworten und veröffentlicht sie zunächst in der „Los Angeles Times“, bevor sie im vergangenen Jahr auf Englisch und nun auf Deutsch als Buch erschienen.

Zuvor hat die bereits vielfach preisgekrönte Illustratorin, die seit dem Studium in New York lebt, unter anderem das Buch „Über Tyrannei“ des US-Historikers Timothy Snyder illustriert und in dem 2018 erschienenen „Heimat“ ihre deutsche Familiengeschichte in Hinblick auf den Nationalsozialismus dokumentiert. „Ich werde oft darauf angesprochen, dass das mutig war, aber für mich ist es eher Neugierde und Gründlichkeit und so eine Kompromisslosigkeit gewesen“, sagt Krug. „Ich wollte das einfach unbedingt wissen, was in meiner Familie passiert ist, weil ich nämlich erst, als ich nach New York kam, gemerkt habe, dass ich gar nichts darüber weiß.“ Das Buch habe ihr geholfen, „konstruktiver mit dieser Schuld umzugehen und mich nicht so paralysiert zu fühlen“.

Wenn sie gerade nicht an einem konkreten Projekt arbeite, zeichne sie eigentlich nie, erzählt Nora Krug. „Ich bin noch nie jemand gewesen, der darin aufgeht, ständig zu zeichnen. Ich habe auch keine Skizzenbücher.“ Das nächste Projekt steht aber schon an: An der Elite-Universität Yale darf Krug ein Jahr lang im „Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies“ forschen, einem der weltweit wichtigsten Video-Archive von Interviews mit Holocaust-Überlebenden.

Nora Krug:

„Im Krieg“. Penguin, München, 128 Seiten; 28 Euro. Lesung: Nora Krug stellt ihr Buch am 25. März,19 Uhr, im Münchner Literaturhaus, Salvatorplatz 1, vor; Karten unter 0761/ 888 49 999 oder online unter literaturhaus-muenchen.reservix.de.

Artikel 2 von 11