Die Dichterin und ihr Image

von Redaktion

Das Literaturhaus wirft ein Licht auf Werk und Wirkung von Ingeborg Bachmann

Ein Talent zur Selbstinszenierung zeigen die Fotos und anderen Exponate von Ingeborg Bachmann im Literaturhaus. © Catherina Hess

Hier sieht’s ja aus wie in einem Büro – nein, in einem „Bureau“! Denn die museumsreifen Schreibmaschinen in der Literaturhausgalerie wecken unvermeidlich solche nostalgischen Assoziationen. Aber das Beste ist: Die Besucher dürfen selbst auf den klappernden Modellen schreiben – eine schöne Abwechslung, nachdem man sonst in Literaturausstellungen ja vorwiegend Exponate zum Lesen findet.

An denen herrscht freilich auch kein Mangel in der Ausstellung „Ich bin es nicht. Ich bin’s“, die zum 50. Todestag Ingeborg Bachmanns (1926 – 1973) letztes Jahr in Wien gezeigt wurde und nun verändert nach München gekommen ist. Neben Fotos aus der Kindheit in Kärnten gibt es Ausleihscheine der Studentin von der Österreichischen Nationalbibliothek und natürlich Manuskripte und Briefe der berühmten Dichterin. Von Letzteren sind rund 6000 erhalten, und die Liste der Korrespondenzpartner liest sich wie ein „Who is Who“ der Fünfziger und Sechziger: Neben Autorenkollegen und Geistesgrößen wie Adorno findet sich da Henry Kissinger, damals noch Professor in Harvard, der der Dichterin fast einen Liebesbrief schrieb.

Ein kleiner Wermutstropfen für Reliquienliebhaber: Aus konservatorischen Gründen sind die meisten Papier-Exponate nur Faksimiles. Echt ist hingegen Ingeborg Bachmanns Schreibmaschine, die unter einem Glassturz zwischen den anderen Schreibmaschinen prangt und natürlich nicht benutzt werden darf. Echt sind aber auch die spektakulären Kleidungsstücke der Literatur-Ikone, die ein Faible fürs Elegante, ja Mondäne hatte. Neben einer klassischen schwarzen Abendrobe mit Rüschen ist da ein orangefarbenes, leicht beschmutztes Haute-Couture-Teil ausgestellt, das sicher der letzte Schrei war und auch aus dem Fellini-Klassiker „Julia und die Geister“ stammen könnte.

Offenbar besaß die Österreicherin zudem eine Witterung dafür, wie wichtig es fürs Image und „Marketing“ war, die eigene Person entsprechend zu präsentieren – so zumindest der Tenor der Ausstellung, die mit einer Fülle großer, transparenter Porträtfotos, die frei im Raum hängen, ein natürliches Talent der Bachmann zur Selbstinszenierung andeutet. Daneben gibt es eine Menge Tafeln mit Zitaten, darunter Sätze, die heute fast noch sperriger wirken als vor 50 Jahren: „Der Faschismus ist das erste in der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau.“

Aber nicht nur solche Statements durchkreuzen die Tendenz zur Verklärung, die es schon zu Ingeborg Bachmanns Lebzeiten gab und erst recht nach ihrem rätselhaften Tod in Rom. Für Dissonanzen sorgen auch die Lichtverhältnisse in der Schau, die durch transparente Plexiglasscheiben in seltsamen Fehlfarbentönen von Rot und Orange entstehen. Das alles erinnert stark an alte Kodak-Farbfilme oder genauer, an ihre Negative – was ein seltsam surreales Zeitreise-Gefühl erzeugt und die Dichterin zumindest buchstäblich im neuen Licht erscheinen lässt.

Denn so bemerkenswert Ingeborg Bachmanns Werk ist – ein Teil ihres fast mythischen Ruhmes beruhte sicher auf der auratischen Wirkung ihrer Person. Der Habitus von Ungeschicklichkeit und Verpeiltheit in Alltagsdingen, den sie zelebriert haben soll, scheint – vor allem auf Männer natürlich – eine magische Wirkung ausgeübt zu haben. Eine Ahnung davon bekommt, wer die Stimme der Bachmann in alten Aufnahmen hört: Wenn sie ihre Gedichte vorträgt, schwingt im Tonfall nicht nur die hymnische Melancholie der Texte mit, sondern eine Art Flehen, das einen dahinschmelzen lässt. ALEXANDER ALTMANN

Die Ausstellung

dauert bis 3. November. Geöffnet ist montags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.

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