INTERVIEW

„Wir spinnen weiter“

von Redaktion

Mathias Spaan inszeniert am Volkstheater „Der zerbrochene Krug“

Mathias Spaan war zunächst Schauspieler. © Neidhardt

„Wir gehen durch verschiedene Räume des Stücks“, sagt Regisseur Mathias Spaan. Hier eine Szene aus dem Lustspiel von Heinrich von Kleist mit Pascal Fligg (li.) und Jan Meeno Jürgens. Premiere ist am heutigen Donnerstag. © Arno Declair

Gut 200 Jahre lang galt Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ (1808) als Garant tiefgründiger Bühnenkomik. Die jüngere Generation der Theatermacher scheint jetzt aber mit einem etwas veränderten Humorverständnis an diesen Klassiker heranzugehen. Das zeigte sich in unserem Gespräch mit Mathias Spaan, der das Stück am Münchner Volkstheater inszeniert. Die Premiere ist am heutigen Donnerstag.

Gibt es in Ihrer Inszenierung viel zu lachen?

Da denke ich oft drüber nach, denn es gibt sicher absurde Situationen im Text, der Humor lässt sich nicht ganz rausradieren, und das möchte ich auch gar nicht. Aber ich habe ihn auch nicht explizit gesucht, indem man etwa Figuren groß überzeichnet. Ich hab die Figuren schon sehr ernst genommen – und auch diesen Fall ernst genommen. Das heißt nicht, dass es da nicht auch mal was zu lachen gibt. Aber so witzig find ich’s dann auch nicht.

Was geht uns denn dieses Stück heute an?

Wir haben in Gestalt des Dorfrichters eine Person im Fokus, die von Beginn an schuldig ist und sich über den ganzen Verlauf des Stücks herauszuwinden versucht aus dieser Schuld. Das könnte gerade aktueller nicht sein.

Denken Sie da an irgendwelche Politiker?

I wo, wie kommen Sie darauf! Aber im Ernst, es geht ja im Stück um Machtmissbrauch durch den Dorfrichter Adam, und es deutet sich in dem Zusammenhang sogar ein sexueller Missbrauch an. Sicher denkt man da heute gleich an so spektakuläre Fälle wie Trump und die Pornodarstellerin. Aber das Stück legt insgesamt den Finger in die Wunde, es betrifft nicht nur Politiker, sondern viele Bereiche der Gesellschaft. Es zeigt ein System, das selbst schon faul ist und in einem Dilemma steckt: Der korrupte Dorfrichter, der Mist gebaut hat, ist ein Repräsentant des Systems, aber wenn der dafür nun seinerseits angeklagt würde, würde das System in Misskredit gebracht, das darf natürlich nicht sein.

Worauf legen Sie den Schwerpunkt?

Es gibt in dem Stück ja eine Art Wahrheitsfindung, bei der aus verschiedenen Perspektiven über diese eine Nacht berichtet wird, in der der Krug zu Bruch ging. Was mich gereizt hat, ist quasi eine Rekonstruktion dieser Tatnacht. Das ist zum einen spannend, und es ist auch ein bisschen eine detektivisch-dramaturgische Tüftelarbeit, weil jede Figur eine andere Version der Geschichte hat. Diese verschiedenen Versionen wird’s auf der Bühne zu sehen geben.

Wie machen Sie das handwerklich?

Wir benützen die Drehbühne, denn es wird wesentlich mehr Szenenwechsel geben, als man es vielleicht erwarten würde. Das ist schon ein gewisser Gegensatz zu dem was bei Kleist steht. Aber es war ein Anliegen von mir, den Gerichtssaal als Ort der Handlung zu verlassen, das wurde noch nie so gemacht. Wir gehen sozusagen durch verschiedene Räume des Stückes, der Gerichtssaal kommt schon vor, aber wir gehen auch an den Tatort zurück.

Haben Sie dafür die Abfolge der Textteile verändert?

Ja, wir haben gewissermaßen versucht, auf dem Zeitstrahl die Beschreibungen der Tatnacht übereinander zu legen um so Abweichungen und Übereinstimmungen in den Aussagen der Personen festzustellen.

Sie gehen eher wie ein Kriminalkommissar heran?

Genau, so könnte man sagen. Ich versuche, mich in das Herz des Falles zu begeben.

Wie halten Sie es mit dem Versmaß, wurde das auch verändert?

Nein, das Versmaß ist ganz toll! Man unterschätzt das, wie diese rhythmische Sprache einen in die Geschichte, in die Emotionen, in die Figuren reindrückt. Ich hab als Regisseur gemerkt, dass das ein Geschenk ist, wenn man dieser Sprache vertraut – und die Schauspieler es schaffen, sich der Sprache hinzugeben. Wir haben allerdings die Figuren noch ein bisschen über das Stück hinaus weitergesponnen, haben geschaut, was mit ihnen weiter passiert sein könnte, und lassen sie dann auf einer Art Interview-Ebene auf das Geschehen im Stück zurückblicken. In diesen Szenen gibt es dann natürlich keine Kleist-Verse.

Wirkt es sich auf Ihre Regie aus, dass Sie früher selbst Schauspieler waren?

Ganz sicher, weil ich ein Gefühl dafür habe, was eine Herausforderung für die Spieler ist, und daher versuche ich vielleicht, sie anders an solche Situationen heranzuführen. Womöglich hat man ein anderes Einfühlungsvermögen und auch ein anderes Vokabular, um Sachen zu beschreiben. Die Kehrseite könnte sein, dass ich manchmal vorsichtiger bin, aber insgesamt hilft es sicher bei der Arbeit.

Artikel 2 von 2