NEUERSCHEINUNG

Lässig und rabenschwarz

von Redaktion

Billie Eilish bricht die Herzen mit „Hit me hard and soft“

Wer bin ich? Und wofür bin ich bestimmt? Diese Themen treiben Billie Eilish weiterhin um. © Universal Music/Petros Studio

Es sind zwei junge Frauen, die derzeit für die wichtigsten und meistdiskutierten Alben der Popwelt sorgen. Und sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Da ist Taylor Swift, Miss Superstar, Ikone einer Generation, die es bei Football-Spielen ihres Galans Travis Kelce krachen lässt. Sie hat gerade Spotify mit den 31 (!) Songs ihres neuen Albums „The Tortured Poets Department“ regelrecht geflutet – und dabei den Pop, die Hits und die Hymnen ein wenig vergessen. Und da ist Billie Eilish, dunkel, düster, geheimnisumwittert, sibyllinisch. Sie belässt es auf ihrem gerade erschienenen, dritten Studio-Album „Hit me hard and soft“ bei nur zehn Songs. Doch die entwickeln einen solchen Sog, dass im Fernduell Swift vs. Eilish diese Runde an die immer noch erst 22-jährige Billie geht.

Vorab gab es keine Single zu hören. Die Kalifornierin vergleicht die Lieder ihrer Platte mit einer Familie. „Da will man ja auch nicht, dass ein kleines Kind plötzlich allein mitten im Zimmer steht“. Doch Billie Eilish, so ist das eben bei ihr, braucht im Auftaktstück „Skinny“ keine 20 Sekunden, um einen wieder mit Haut und Haaren zu packen. Zu einer zart gezupften Gitarre blickt sie zurück auf die erste Liebe, singt über Selbstwahrnehmung und die Erwartungen des Publikums: „Die Leute sagen, dass ich glücklich aussehe, nur weil ich dünn geworden bin. Aber das alte Ich ist immer noch ich, vielleicht das wahre Ich, und ich denke, sie ist hübsch.“ Atem- und ohrenberaubend schön ist das, und mindestens so toll wie die Film-Songs „No Time to die“ (Bond) und „What was I made for?“ (Barbie), mit denen sie zur jüngsten doppelten Oscar-Gewinnerin der Filmgeschichte wurde.

Danach folgt das tanzbare „Lunch“, mit vertrackten Synthies und verzerrter Drum-Machine, das das Zeug zum Sommer-Hit 2024 und zum Nachfolger ihres Klassikers „Bad Guy“ hat. In einem fabelhaften Ohrwurm singt sie, dass sie ihre Flamme (die ein Mädchen ist) mit Haut und Haaren verspeisen will: „Sie tanzt auf meiner Zunge.“ Doch die Gaumenfreuden halten nicht lange an. In „Birds of a Feather“ will sie IHN (oder SIE) lieben, bis „ich verrotte, tot und begraben… in dem Sarg, den du getragen hast“. Spooky und unheimlich ist das – gerade, weil die lässig swingende Musik so gar nicht zum rabenschwarzen Text passt.

Wer bin ich, wofür bin ich bestimmt? Dieses Thema aus „What was I made for?“ treibt Billie Eilish weiterhin um. Die Dinge sind nun mal kompliziert, wenn man 22 ist und schon mit 17 in den Superstar-Kosmos geschleudert wurde. „Wildflower“ erzählt von einer „Ménage à trois“. Und im verspielten „L’amour de ma vie“ nimmt sie nicht allzu schweren Herzens Abschied: „Ich habe dir gesagt, dass du die Liebe meines Lebens bist. War aber gelogen.“

Mit diebischer Freude schlägt Billie Eilish in ihren neuen Songs Haken, entwischt den Zuhörern immer wieder, führt sie in die Irre. Gemeinsam mit ihrem kongenialen Bruder Finneas O‘Connell ist das alles so trickreich produziert, dass man Wochen brauchen wird, um jedes noch so kleine Sounddetail zu erlauschen. Es lohnt sich, diese Platte nicht einfach zwischendurch am Smartphone zu hören, sondern sehr aufmerksam mit guten Kopfhörern. „Hit me hard and soft“ ist ein Album, das Herzen bricht und Herzen erobert. JÖRG HEINRICH

Billie Eilish:

„Hit me hard and soft“
(Universal).

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