Letzter Aufruf für die Stars

von Redaktion

Verrücktes, berührendes Opern-Pasticcio und ein geistreiches Konzert bei den Pfingstfestspielen

Mattia Olivieri hat Probleme mit Ikea. © Marco Borrelli

Und dann kommt auch noch Daniil Trifonov. Setzt sich, zunächst unbeachtet im Getümmel, an den Hammerflügel, um la Diva zu begleiten. Sie in großer schwarzer Robe, Kunstpelz-Boa in Weiß, und plötzlich tut sich bei „Ch’io mi scordi di te?“ der Himmel auf. Mozarts Konzertarie mit dem regierenden Klaviergott und Cecilia Bartoli, singender Mittelpunkt ihrer Salzburger Pfingstfestspiele. Nicht alles ist geprobt, manches ist spontan erfühlt. Und doch wird man im Großen Festspielhaus von Unsagbarem angeweht. Atemverschlagende Minuten sind das.

Arien-Gala war gestern: Das Projekt „Une Folle Journée“ kramt aus „Figaro“, „Così fan tutte“ und „Don Giovanni“, Mozarts Musiktheater-Triple auf Texte Lorenzo da Pontes, ein Best-of zusammen. Am Tag zwei des Festivals kommt es mit einem All-Star-Programm zum Äußersten, das Regisseur Davide Livermore als OpernPasticcio inszenierte. Alles Gestrandete auf dem Flughafen Lorenzo da Ponte und gebucht bei WAM-Airlines (Achtung, Komponisten-Initialen). Ein Unwetter, man sieht es auf dem bühnenbreiten Video vorüberziehen, sorgt für die Annullierung sämtlicher Flüge.

Die Zurückgebliebenen, ob den Opern entsprungen oder sich selbst spielend, durchleiden die seltsamen Spiele der Liebe. Mattia Olivieri hantiert mit dem Ikea-Bettbausatz „Phigärø“ herum, Melissa Petit trauert als sitzengelassene Star-Sopranistin mit „Porgi amor“ dem Gatten nach, Lea Desandre lässt mit Cherubinos Arie am Gate die Säfte steigen, Daniel Behle singt als Tenor aus der Schellack-Zeit „Un’aura amorosa“, der 71-jährige Alessandro Corbelli führt bei Leporellos Register-Arie den Speicherplatz seines Smartphones vor. Rolando Villazón macht in Basilios Arie aus seinen Stimmresten das Beste. Das erste „Così“-Finale driftet ins Massenkiffen und so weiter und so fort.

Abstrus, sinnfrei, berührend, vieles kommt in den zwei pausenlosen Stunden zusammen. Gianluca Capuano sorgt im Graben mit Les Musiciens du Prince – Monaco für hohe Umdrehungszahlen. Und nach einer Explosion auf dem Flugfeld wird es ernst. Regisseur Livermore höchstselbst mahnt per Gate-Mikro Nächstenliebe an, „Soave sia il vento“, das Wunder-Terzett aus „Così“ ist das zartbittere Finale: Standing Ovations für eine SchlagerGala, wie sie nur in Salzburg möglich ist.

„Mostly Mozart“, das Motto des Pfingst-Durchgangs, bestimmt auch das Konzert fünf Stunden zuvor. Da sitzt die Deutsche Kammerphilharmonie unter Paavo Järvi auf der Bühne des Großen Festspielhauses. Die Symphonien 31 und 41 werden musiziert als geistreiche bis kratzbürstige Konversation. Eine ansteckende, blitzgescheite Klangrede, eine Art Harnoncourt auf Speed. Auch hier ist Daniil Trifonov dabei. Im Klavierkonzert KV 503 unterläuft er das Repräsentative des Stücks, das auf einmal so wirkt, als sei es 150 Jahre später komponiert worden. Was der Regie in „La clemenza di Tito“ tags zuvor glückte (siehe oben), führt Trifonov mit rein musikalischen Mitteln vor: Mozart als Zeitgenosse. MARKUS THIEL

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