Jeff Koons präsentierte im Jahr 2010 sein Art Car. Es ist ein BMW M3 GT2. © Donald Bowers
Andy Warhols Art Car enstand 1979. Fürs Bemalen benötigte der Künstler nur 28 Minuten. © derek@derekgardner.com
Abgefahren: Beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans wird Mehretus Art Car an den Start gehen. © BMW
Alle Augen auf Künstlerin und Kunstwerk: Vor der Weltpresse signiert Mehretu ihr Auto in Paris. © Pierrick Rocher/BFA.com
Bereit fürs erste Rennen: Julie Mehretus Art Car. Es ist das 20. dieser Reihe, in der Künstler für BMW Autos gestalten. © Julian Kroehl
Sie wollte erst nicht. Natürlich wollte sie nicht. Mag der Auftraggeber auch ein Gigant wie BMW sein, mag da entsprechend viel Geld für künstlerisches Austoben drinstecken: ein Art Car gestalten, eines für die Rennstrecke – in diesen Zeiten? Julie Mehretu ließ sich zweimal bitten. Thomas Girst, Leiter des Kulturengagements der BMW Group, tat’s. Und konnte sie schließlich überzeugen, bei diesem im besten Sinne abgefahrenen Projekt, das das Münchner Automobilunternehmen seit fast 50 Jahren stetig fortführt, mitzumachen. Eine Freundin bestärkte Mehretu auf pragmatische Weise: „Jetzt bemal doch einfach dieses verdammte Auto!“
Demnächst geht es in LeMans zum 24-Stunden-Rennen
Julie Mehretu erzählt das lachend am Dienstagabend. Nicht im BMW-Vierzylinder in München – für die Vorstellung des inzwischen 20. Art Cars ist die Weltpresse nach Paris geladen. Im Herzen des vierten Arrondissements, im Centre Pompidou, wird die silberfarbene Decke gelüftet, unter der Mehretus Kunstwerk auf vier Rädern bereitsteht, sich der Welt zu präsentieren. Ein Coup – die Journalisten aus etlichen Ländern kommen auch deshalb mit Freuden, weil das viel geliebte Kunstmuseum in Kürze für mehrere Jahre sanierungsbedingt schließen muss. Also ein letztes Mal für lange Zeit auf den legendären Außenrolltreppen hinauf in den sechsten Stock. Draußen beginnt es zu dämmern, bald flimmern die Lichter am Eiffelturm. Und nicht nur, weil dieser Anblick einfach eine Glühlampe zu kitschig ist, richten sich an diesem Abend alle Smartphone-Kameras lieber auf das neue Auto und die New Yorker Künstlerin, die in lässiger schwarzer Ledermontur (mit dezenten BMW-blauen Farbnuancen) davon erzählt, warum sie nach dem ersten Zögern schließlich doch zusagte. Nach dem Motto: Die Kupplung langsam kommen lassen, aber dann voll in den Turbo.
„Mir wurde klar, dass sich das ganze Art-Car-Projekt darum dreht, etwas Neues zu schaffen, erfindungsreich zu sein und Grenzen zu verschieben, um zu sehen, was möglich ist.“ Tatsächlich verdeutlichen die Modelle der bisherigen 19 Art Cars, die en miniature im Centre Pompidou stehen und mit denen nicht nur große Jungs am liebsten eine Runde über die Carrera-Bahn rasen würden, wie vielseitig Design, Optik und Funktion eines Autos sein können, wenn kreative Leute zusammenkommen. Denn hier geht es ja nicht bloß um hübsche Verzierung. Wenn Cao Fei (Art Car 18, 2016) nicht mehr das Auto selbst bemalt, sondern die Farben um den Wagen kreisen lässt, sichtbar für die Betrachter erst durch digitale Hilfsmittel; oder Olafur Eliasson (Art Car 16, 2007) die Außenhülle eines wasserstoffbetriebenen BMW entfernt und sie durch eine durchscheinende Haut aus Stahlgeflecht, Metallplatten, Eisschichten ersetzt, auf diese Weise eine Art modernes Fossil erschafft – da werden Technologie, Zeitgeist, Fortbewegung der Zukunft künstlerisch hinterfragt.
Julie Mehretu versteht ihr Art Car als ein „performatives Gemälde“. Eines, das für die Rennstrecke geschaffen sei und nicht fürs Museum. „Mein Art Car entstand in enger Zusammenarbeit mit Motorsport- und Ingenieurteams und es wird erst fertig sein, wenn das Rennen in Le Mans vorbei ist“ – jeder Kratzer, jede Macke ein Teil des Gesamtkunstwerks.
Wie alle Art Cars wird auch das der 53-Jährigen in wenigen Wochen am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnehmen. Doch von Beginn an haben die New Yorker Künstlerin und BMW das 20. Art Car über das Fahrzeugobjekt hinaus konzipiert. Nach dem Rennen wird ihre Zusammenarbeit durch ein Projekt für Nachwuchskünstler in verschiedenen Ländern Afrikas fortgeführt: Bei der PanAfrican Translocal Media Workshop Series werden im Laufe des Jahres 2025 Workshops in verschiedenen afrikanischen Städten und Regionen ausgerichtet, um Künstlern und Filmschaffenden einen Raum für Begegnung, Austausch und Zusammenarbeit auf überregionale Weise zu eröffnen. Grenzen überschreiten, neue Wege wählen. Mit dieser Einstellung ist man noch immer gut gefahren. KATJA KRAFT