NEUERSCHEINUNG

Wildes aus dem Musikmuseum

von Redaktion

Lenny Kravitz und sein Album „Blue Electric Light“

Kein Lächeln riskiert Lenny-Kravitz auch weiterhin – vielleicht weil er am Sonntag 60 wird? © Mark Seliger

Haha, guter Witz. Dass Lenny Kravitz an diesem Sonntag, zwei Tage nach Erscheinen seines neuen Albums „Blue Electric Light“, 60 wird, kann nur ein Scherz sein. Der Kerl, der da mit bewährter Macho-Rotzigkeit und dicken Halsketten auf seinen neuen PR-Fotos kein Lächeln riskiert, kann keinen Tag älter sein als 40. Wobei: Das geht sich auch nicht aus. Denn dann hätte er sein legendäres Debütalbum „Let Love rule“ 1989 mit fünf Jahren aufgenommen. Man traut dem Mann vieles zu, aber das dann doch nicht. Wahrscheinlich wird Lenny also wirklich unglaubliche 60. Aber er klingt auf seinem zwölften Studioalbum definitiv jünger.

Zwei Jahre hat er sich in seinem Studio auf den Bahamas Zeit fürs Aufnehmen genommen: „Das hat mir die Chance gegeben, um nachzudenken und noch tiefer in die Songs einzudringen.“ Wie gewohnt, hat er mit analogem Retro-Equipment fast alle Instrumente selbst eingespielt, unterstützt nur von seinem getreuen Gitarristen Craig Ross.

Als Mr. Kravitz das Studio verlassen hat, waren zwölf Songs im bewährt wilden Mix aus Rock, Soul, Funk, Blues und Psychedelic fertig. Um es auf den Punkt zu bringen: Der Sound ist fantastisch. Als hätte der Maestro ein Musikmuseum geplündert, scheppern die Drums und fiepen die Synthies. Die Gitarren klingen mal funky wie in der Single „TK421“, für deren Video sich Lenny einmal mehr nackig gemacht hat. Mal tönen sie düster und heavy wie in „Paralyzed“. Und wo gibt’s heute noch so fette Bässe wie im Auftaktstück „It’s just another fine Day (In this Universe of Love)“? Nirgends!

Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die genialen Ideen wie einst mit „It ain‘t over ’til it’s over“ oder „Fly away“ hat er nicht mehr. Manches zerfasert und klingt nach Songs, die er vor 20, 30 Jahren aufgenommen hat, damals aber noch ein Stück besser. Highlights gibt es trotzdem, mit dem Kuhglocken-Ohrwurm „Human“ oder dem psychedelisch entspannten „Spirit in my Heart“. In solchen Momenten leuchtet das „Blue Electric Light“, das blaue elektrische Licht, das Lenny Kravitz als seine „endlose Energiequelle“ entdeckt hat, noch einmal so strahlend hell wie früher. JÖRG HEINRICH

Lenny Kravitz:

„Blue Electric Light“ (Roxie/BMG).

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