70 000 im Metal-Gewitter

von Redaktion

Hardrock-Könige lassen im Olympiastadion die Regenponchos dampfen

Die Fan-Massen tummeln sich auch im Olympiapark, um ohne Ticket etwas vom Konzert mitzubekommen. © Martin Hangen

Auf die Drums von Lars Ulrich prasseln irgendwann die Tropfen. Trocken bleibt man am Freitag nur auf der Haupttribüne.

James Hetfield hat auch mit 60 Jahren seinen Zenit längst nicht überschritten. © Martin Hangen

Acht massive Videozylinder ragen im Olympiastadion in die Höhe, Metallica bewegen sich vor den Fans auf einer ringförmigen Bühne. © Martin Hangen

Kurz vor Schluss bekommt er doch noch seine Regenjacke. „Dafür ist es vielleicht ein bisschen zu spät“, sagt James Hetfield. Waschelnass steht er da auf der Bühne, ein Wolkenbruch am Münchner Himmel hat Band und Publikum am ersten von zwei Metallica-Abenden im Olympiastadion ordentlich geduscht. Auf Lars Ulrichs Snare Drum prasseln die Regentropfen. Und Hetfield? Der grinst. Ich muss das hier nicht machen, könnte er jetzt sagen, frei nach unserem Verteidigungsminister. Mit 60 Jahren, also kurz vor dem Renteneintrittsalter, im Platzregen den Metal-Barden mimen. Aber Hetfield macht das sichtlich Spaß da oben. Also heizt er mit „Fuel“ die Maschine wieder an. Und es wirkt, als fingen die vielen Regenponchos im Stadion leicht zu dampfen an. Das Feuer brennt noch bei den Königen des Metal.

Selbstverständlich ist das nicht. So manche der vielen Alt-Rocker, die bis heute um die Welt touren, haben ihren Zenit hörbar hinter sich oder wahlweise die vielen Exzesse der Vergangenheit nicht ganz so gut verkraftet. Voll werden die Konzerte dann nur noch, wenn man die Tour zum dritten Mal als Abschiedstournee verkauft. Quasi als feierliche Einladung zum letzten Geleit. Nicht so bei Metallica. Jede Tour ist aufs Neue ein echtes Spektakel. Altersmilde? Vielleicht. Aber von Müdigkeit keine Spur.

Diesmal begnügen sich die vier Herren aus Kalifornien nicht mit einem Abend. Bei der „M72 World Tour“ übernehmen sie die Stadt gleich für ein ganzes Wochenende mit umfassendem Begleitprogramm und üppigen Vorbands. Das macht neugierig – nicht nur die Hardcore-Fans. Als Metallica am Freitag im Stadion spielen, tummeln sich rundherum im Olympiapark die Massen, um auch ohne Ticket ein paar der mächtigen Akkorde zu erhaschen. Da kommt fast Festival-Feeling auf in München.

Die Szenerie tut ihr übriges. Als die Band beim ersten großen Finale „Master of Puppets“ anstimmt, erhellen Blitze den Münchner Nachthimmel – als hätte der Lichttechniker bei Petrus höchstpersönlich vorgesprochen und das Albumcover von „Ride the Lightning“ bestellt. Die jeweils gut 70 000, vielleicht 75 000 Zuschauer im Stadion quittieren das Naturschauspiel mit begeistertem Applaus.

Aber auch ohne Hilfe von oben macht die Bühne Eindruck. Acht massive Videozylinder ragen im Stadion in die Höhe, die Band bewegt sich auf einer ringförmigen Bühne – mittendrin die Edelfans im „Snake Pit“. Der Vorteil: Sämtliche Tribünen im Stadion können genutzt werden. Der Nachteil: kein Dach für die Bühne. „Ist ja nur Wasser“, sagt Hetfield. Trocken bleiben nur die glücklichen Zuschauer unterm Dach der Haupttribüne.

Zweite Besonderheit der Tour: Beim Doppel-Gig mit je 16 Songs wird keine Nummer zweimal gespielt. Gut für all jene, die sich beide Tage gegönnt haben. Für Einzeltäter heißt das, der ein oder andere Hit bleibt aus. So wussten alle Sonntagsbesucher vorab, dass das Stadion am Freitag schon bei „Nothing else Matters“ und „Seek & Destroy“ mitgesungen hat. Aber Stoff gibt‘s ja genug. Allein am ersten Abend spielte die Band Stücke von insgesamt acht Alben. Und am Sonntag – diesmal bei wolkenlosem Himmel und Blitzen lediglich auf der Videowall – geht‘s bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe sofort kompromisslos weiter mit Stücken wie „Creeping Death“, „Harvester of Sorrow“ und dem allerersten Metallica-Song „Hit the Lights“. Da ist das Stadion sofort wieder am Siedepunkt.

Seit ihrem ersten Auftritt in München 1987 im Deutschen Museum waren es jetzt die Konzerte Nummer elf und zwölf von Metallica in der bayerischen Landeshauptstadt. Bei dieser Spielfreude darf man sich in München getrost auf Nummer 13 freuen. Und bitte bloß nicht als Abschiedstournee. DOMINIK GÖTTLER

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