Nicht nur als Mann fürs Sperrige präsentierte sich GMD Vladimir Jurowski an diesem Abend. © Wilfried Hösl
Die Akademiekonzerte des Bayerischen Staatsorchesters sind für dessen Mitglieder immer wieder eine willkommene Gelegenheit, um andere Muskeln zu trainieren und sich mit Werken jenseits von Verdi, Mozart oder Puccini zu beschäftigen. Entdeckungen müssen sich da aber nicht zwangsläufig nur auf Repertoire-Raritäten beschränken. Auch ein Standardwerk wie Beethovens fünftes Klavierkonzert kann einiges an Überraschungspotenzial in sich tragen, wenn es von zwei Menschen interpretiert wird, die sich jeder Routine konsequent verweigern. So wie dies Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski und Emanuel Ax nun im Nationaltheater demonstrierten.
Das Erhabene überließ der Pianist zu Beginn noch ganz den machtvollen Einwürfen des Orchesters, während er selbst mit sanftem Anschlag einen spielerisch leichten Konversationston pflegte. Aus diesem reizvollen Kontrast heraus entwickelte sich im weiteren Verlauf ein höchst spannender Dialog zwischen Flügel und Dirigentenpult. Wobei auch die kultiviert agierenden Streicher ihren Teil dazu beitrugen, dass Emanuel Ax im Adagio zarteste Farbschattierungen ausreizen konnte. Das Finalrondo zeigte ihn und Jurowski danach wiederum in deutlicher Kampfeslaune. Jedoch nicht gegeneinander, sondern vielmehr Schulter an Schulter mit dem gemeinsamen Ziel, Hörgewohnheiten zu hinterfragen.
Durchaus eigenwillig präsentierte sich nach der Pause auch Vladimir Jurowskis Lesart von Schumanns „Rheinischer Symphonie“. Wobei er die kleine Besetzung zu seinem Vorteil nutzte und vorne auf dem hochgefahrenen Orchestergraben ein weiteres Mal eine sehr durchsichtig musizierte Interpretation anbot, die gerade bei den Soli der Holzbläser mit viel Liebe zum Detail überzeugte. Breit ausgekostet in den langsamen Sätzen, bei denen im „feierlichen“ Abschnitt alles beinahe stillzustehen schien, während in den rahmenden Abschnitten das Leben umso heftiger pulsierte. Eine frische Sicht auf zwei oft gehörte Klassiker, die zeigte, dass Münchens Opern-GMD keineswegs nur der Mann fürs Sperrige ist. TOBIAS HELL