Durch Italien in zehn Liedern

von Redaktion

Celentano, Mina & Co.: Eric Pfeil hat einen Musik-Reiseführer geschrieben

Nehmen es leicht: Miranda Martino (li.), Adriano Celentano und Milva am Rande des Festivals Cantagiro im Jahr 1962. © ddp

Nach den Pfingstferien ist vor dem Sommerurlaub – und immer wieder lockt Italien. Wer sich für seine Reise über die Alpen auch musikalisch wappnen will, dem seien zwei Büchlein von Eric Pfeil empfohlen. Der Musikjournalist, der beim Münchner Trikont-Verlag selbst Songs veröffentlicht, ist wie kaum ein anderer hierzulande eingetaucht in die Musica leggera, die vermeintlich leichte italienische Popmusik, die es doch gerade erst ermöglicht, dieses Land in seiner dröhnenden Komplexität, seinen grellen Widersprüchlichkeiten, seiner zarten Schönheit zu begreifen. Zehn seiner liebsten Songs stellt er hier vor.

Wer Pfeil dazu befragt, wie ein Kind aus Bergisch Gladbach eine so heiße Liebe zu Italien und seiner Musik entwickeln konnte, der erfährt von einem Vater, der Unterhaltungsmusiker war und keine Scheu hatte vor der leichten Muse. Er erfährt von Familien-Urlauben in Ligurien – gleich um die Ecke des legendären Festivals in Sanremo, wo Italiens beste Sänger sich alljährlich messen. Und er bekommt zur Antwort, was jeder sagen wird, der von klein auf den Stiefel bereist hat: „Es ist da einfach enorm überzeugend: Da scheint immer die Sonne. Alle sehen gut aus, selbst die Polizisten scheinen eigene Mode-Couturiers zu haben. Der Geruch von Pinien und Diesel. Und wenn da dann noch eine Popmusik drunter liegt, die ein paar andere Reize aufmacht als die anglo-amerikanische, dann ist man spätestens als pubertierender Jugendlicher schnell im Boot.“

Heute ist Pfeil selbst Musiker, vor allem aber Journalist (etwa beim deutschen „Rolling Stone“) und Schriftsteller. Mit „Ciao Amore, Ciao“ ist nach „Azzurro“ sein zweiter „musikalischer Reiseführer“ erschienen. Abermals 100 Songs aus 70 Jahren italienischer Musikgeschichte beleuchtet er da – und all die Hintergründe und Anekdoten, die dazugehören.

Da ist die Geschichte von Luigi Tenco, der sich 1967 nach seinem Ausscheiden beim Festival in Sanremo das Leben nahm. Der sehr ernsthafte Sänger und Bob-Dylan-Fan hatte große Hoffnungen in sein Lied „Ciao Amore, Ciao“ gesetzt, einen leichten Song, der aber das Problem der inneritalienischen Migration und den damit verbundenen Heimatverlust verhandelte. „Tenco war sich siegessicher, hatte auch schon einen im Tee“, sagt Pfeil. „Als er leer ausging, ging er in sein Hotelzimmer und erschoss sich. In seinem denkwürdigen Abschiedsbrief schrieb er: Nein, nein, er sei nicht des Lebens überdrüssig, er wolle mit seinem Suizid ein Zeichen setzen und das Publikum zum Nachdenken bringen. Er könne nicht begreifen, dass sein Lied die Endausscheidung verpasst habe und deutlich blödere Lieder nicht.“

Der Vorfall zeigt, wie wichtig den Italienern ihr Liederwettbewerb ist, der in fünf Tagen jede Sportübertragung in den Schatten stellt. Klar: In Sanremo werden die Strandhits der Saison gekürt. Doch hier wird Italien auch der Puls gefühlt. „Hier kann man sogar sehen, wie die Regierung ankommt“, sagt Pfeil. „Hier wird auf existenzialistische Art und Weise alles verhandelt.“ So wie in der italienischen Musik überhaupt, der bei aller Leichtigkeit immer eine Ahnung von den Abgründen des Lebens innewohnt. Und umgekehrt: Das Dunkle mag nie weg sein, aber die Italiener antworten mit der Leichtigkeit ihrer Musik: „Die Lage ist aussichtslos, aber nicht ernst“, wie der Schriftsteller Ennio Flaiano sagt.

Nicht nur das unterscheide die Musica leggera vom deutschen Schlager, sagt Pfeil. „Anders als bei uns gibt es diese unglaublich lange Traditionslinie, die bis zu Verdi und Puccini führt. Auf der anderen Seite ist da das Erbe der Canzone Napolitana, sozusagen der Ursuppe des italienischen Liedes bis heute. Sie wurde über die italienischen Auswanderer in die USA getragen und trug dort maßgelblich zur Entstehung der Popmusik im 20. Jahrhundert bei.“ Pfeil lacht. „Die Italiener singen schon, wenn sie sich am Strand erzählen, was sie abends zu essen machen. Bei uns klingt Musik immer nach Anstrengung.“ JOHANNES LÖHR

Eric Pfeil liest

am diesem Montagabend ab 20 Uhr im „Heppel & Ettlich“, Feilitzschstraße 12. Dabei wird er sicher auch seinen gerade bei Trikont erschienenen Song „Sanremo“ singen, eine Hommage an das Festival der leichten italienischen Musik. Karten für 17,60 Euro unter heppel-ettlich.de.

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