Im Leid vereint: Druidenpriesterin Norma (Sonya .Yoncheva, li.) und Adalgisa (Tara Erraught). © Wilfried Hösl
Sprechen Sie Italienisch? Falls ja, dann wären Sie am Donnerstagabend in der Bayerischen Staatsoper im Vorteil gewesen. Weil eine technische Störung eine Projektion der Übertitel verhinderte, erhielt das Publikums im ausverkauften Nationaltheater mit Vincenzo Bellinis „Norma“ unfreiwillig Italienischunterricht für Fortgeschrittene – Schwerpunkt der Lektion: tragische Liebe bis in den Tod.
Inszenierung ist in die Jahre gekommen
Bei der Ouvertüre, während der sich das Bayerische Staatsorchester mit und unter Gianluca Capuano warmspielte, war das freilich kein Problem. In der ersten Szene aber – der chorischen Versammlung der gallischen Krieger im heiligen Hain der Druiden – wurden Menschen ohne Textverständnis oder Stoffkenntnis schnell abgeschüttelt; zumal Jürgen Roses Inszenierung von 2006, ähnlich wie die Technik in der Bayerischen Staatsoper, schon etwas in die Jahre gekommen ist: Priesterinnen in Schleier zu hüllen und den römischen Usurpatoren Galliens Faschistenuniformen anzuziehen, na ja.
Freilich kann das technische Malheur mit der fehlenden Übertitelung auch positiv gewendet werden: Ohne permanent am oberen Bildrand mitzulesen, kann die Aufmerksamkeit ganz auf die Musik, den Gesang, die szenischen Ereignisse auf der Bühne gerichtet werden. Ein Stück weit stimmt das sogar – und zwar immer dann, wenn die drei tragischen Protagonisten zum Einsatz kommen: Sonya Yoncheva gibt mit ihrem eindringlichen Sopran eine intensive Norma, der Tara Erraught als Nebenbuhlerin Adalgisa auch stimmlich in nichts nachsteht, während Joseph Calleja als Pollione mit seinem schmeichelnden Tenor mit beiden Sängerinnen bestens harmoniert.
Ihre Arien, Duette und ganz besonders das Terzett in der verhängnisvollen Eifersuchtsszene am Ende des ersten Aktes öffnen die Ohren und blenden visuelle Komponenten wie Bühne, Text und Inhalt komplett aus. Leider kann der Bayerische Staatsopernchor mit dieser sanglichen Sternstunde an diesem Abend stimmlich nicht ganz mithalten; selbst die turbulente Kriegsszene im zweiten Akt („Guerra, guerra!“) ist nur mäßig explosiv – abgesehen von den ins Publikum gerichteten Waffen, die man in diesen Zeiten mal besser stecken lassen sollte. ANNA SCHÜRMER