NACHRUF

Für immer das Spatzl

von Redaktion

Zum Tod der großen Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek

Grande Dame – trotz Sturz: Kubitschek als Gräfin Balbek in einer Szene aus „Das Erbe der Guldenburgs“.

Lebensliebe: Von 1976 bis zu seinem Tod 2016 waren die „Kubi“ und Wolfgang Rademann ein Paar. © Foto: Kappeler/dpa

Traumpaar der Achtzigerjahre: Ruth Maria Kubitschek und Helmut Fischer in „Monaco Franze“.

Ihr Durchbruch: 1966 spielte sie die Titelrolle in „Melissa“ (hier mit Günther Stoll). © Fotos: Ullstein, Kujath/ZDF, Getty

Es umgab sie eine besondere Aura. Helmut Fischer nannte sie nicht ohne Grund „die Wesenheit“. Ruth Maria Kubitschek war eine sehr spirituelle Frau. Nun ist sie mit 92 Jahren gestorben.

Besonders schön hat es einmal der Regisseur Michael Verhoeven formuliert. Zum 90. Geburtstag von Ruth Maria Kubitschek im August 2021 erinnerte er sich an gemeinsame Dreharbeiten zum Film „Sonntagskinder“ (1980). „Die Kubitschek, wie sie allgemein hieß, war die Kraftquelle im Schauspielerensemble“, schrieb er in einem Beitrag für unsere Zeitung. „Immer besser aufgelegt als wir anderen, mitreißend, hinreißend, klar, hell, schön, klug.“ Der Film sei eine typische Studioproduktion gewesen: hermetisch, künstlich, kein Tageslicht. „Das Licht und das Leben kamen von ihr.“ Nun ist dieses Licht erloschen. Ruth Maria Kubitschek starb am Samstag, im Alter von 92 Jahren. Leuchten wird sie über ihren Tod hinaus. Nach einem Leben, das man wirklich erfüllt nennen darf.

Der Beruf erschien ihr manchmal oberflächlich

Geboren im böhmischen Komotau, flieht Kubitschek mit der Familie nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die spätere DDR. Von Kindesbeinen an möchte sie Schauspielerin werden. Gegen den Willen der Eltern lässt sie sich ausbilden, wird für ihre Bühnenauftritte (unter anderem in Schwerin und Berlin) groß gefeiert.

1959 bleibt sie nach einem Engagement in Westdeutschland, wo ihr 1966, da ist sie 35, der Durchbruch vor der Kamera gelingt: Sie spielt die Titelrolle in dem legendären Durbridge-Krimi „Melissa“. „Von null auf nix war ich bekannt“, erinnerte sie sich einmal. Und schob gleich hinterher. „Ich war eine junge Frau, die vom Erfolg überrollt wurde.“

Erfolg, Star-Rummel – all das ist ihr schon damals suspekt. Dennoch dreht sie weiter, Filme fürs Kino wie fürs Fernsehen. Sie will spielen, spürt aber zugleich, dass das für sie nicht alles sein kann im Leben. Sie empfindet ihren Beruf mitunter als oberflächlich, ihre Arbeiten erscheinen ihr „flüchtig“. Parallel zur Schauspielerei fängt sie deswegen an zu schreiben und zu malen.

Anfang der Achtzigerjahre wird Helmut Dietl auf sie aufmerksam und erfindet die Rolle, für die Millionen die Kubitschek bis heute lieben: das „Spatzl“ aus „Monaco Franze“. 1983 läuft die erste Folge der BR-Serie mit ihr als Annette von Soettingen, wie die Figur mit vollem Namen heißt, und Helmut Fischer als Titelfigur. Ein Glücksfall fürs Publikum und die Schauspielerin selbst. Abgesehen davon, dass der „Kubi“ die Arbeit mit Dietl sehr gut gefällt, profitiert sie persönlich. „Ich hatte vorher sehr viele tragische Rollen gespielt“, erzählte sie einst. „Der Dietl hat mir die intelligente Leichtigkeit beigebracht.“ Das sei für ihr ganzes Leben wichtig gewesen.

Sie selbst ist im Grunde ganz anders als das „Spatzl“. Sie passt irgendwie nicht in die Zeit, die geprägt ist von Leichtigkeit, von Lastern, Lust und Liebe. Man denke nur an die „Faschingsfolge“ aus dem „Monaco Franze“. Undenkbar, dass die Kubitschek bauchfrei auf einer Party tanzt, die das Flair der 68er atmet. Sie meditiert lieber, zur Verwunderung von Dietl und Fischer, denen alles Esoterische, nun ja, eher fremd ist. Die beiden Helmuts hätten sie in dieser Hinsicht nie verstanden, erzählte Kubitschek mal mit einem Schmunzeln. Helmut Fischer hätte sie sogar immer „die Wesenheit“ genannt. Ein Wort, das im Alltag nicht wirklich existiert. Aber es passt – und sie mochte die Beschreibung. Es stört sie schon damals nicht im Geringsten, dass sie etwas anders ist. Ganz im Gegenteil.

Besonders wichtig ist ihr etwas anderes: dass sie, beziehungsweise das „Spatzl“, kein armes Opferfräulein ist. Sie ist die betrogene Ehefrau, das schon, aber sie nimmt das mit großer Gelassenheit, mit Würde und vor allem dem Wissen, dass er, der ewige Stenz, am Ende doch zu ihr zurückkehrt. Das hat in den Achtzigern, die voller #MeToo sind, ohne dass es das Wort schon gibt, etwas sehr Progressives.

In den Jahren drauf gibt die Kubitschek gern und oft die weltläufige Grande Dame. Kaum eine Rolle ohne perfekt frisiertes Haar, teure Klamotten und den Schal, den sie betont elegant über die Schulter wirft. Wir erinnern uns an „Das Erbe der Guldenburgs“ (1987–1990), „Schloß Hohenstein“ (1992–1995), Auftritte auf dem „Traumschiff“, bei Pilcher & Co. und natürlich im „Traumhotel“ als Mutter von „Hoteldirektor“ Christian Kohlund.

2014 zieht sich Ruth Maria Kubitschek zurück. München hat sie längst verlassen, seit den Neunzigern lebt sie am Bodensee in der Schweiz, in einem Haus mit übergroßem Garten. „Mit 83 kann man doch als Schauspielerin wirklich sagen: ,So, das war’s‘“, meint sie damals. Sie würde ja nicht aufhören zu leben, sondern nur zu arbeiten. Tatsächlich ist sie etwas müde geworden. Will nicht mehr konkurrieren müssen um gute Rollen. Sie ist froh, dass das Warten auf Filmangebote, die sie interessieren, ein Ende hat. Denn trotz all der Erfolge hat es auch immer Phasen gegeben, nach „Kir Royal“ etwa oder auch nach den „Guldenburgs“, in denen sie, übrigens Mutter eines Sohnes (aus ihrer von 1953 bis 1962 dauernden Ehe mit dem Opern-Regisseur und Intendanten Götz Friedrich), nicht viel zu tun, dafür aber Existenzängste hat.

Sie will in Ruhe alt werden, nicht unter der Beobachtung der Öffentlichkeit, sondern privat sein mit ihrer Lebensliebe, dem Erfolgsproduzenten Wolfgang Rademann, mit dem sie seit 1976 liiert ist. Eine erfüllte Beziehung ist das, eine auf Augenhöhe, der es nichts macht – ganz im Gegenteil –, dass die beiden keinen gemeinsamen Wohnort haben. Sie ist in der Schweiz, er lebt in Berlin.

Als er stirbt, 2016, wird es noch stiller um sie. Sie genießt ihren „Garten der Aphrodite“ daheim, dessen Bäumen sie Namen gegeben hat. Zwei Zypressen zum Beispiel heißen Romeo und Julia, weil sie so sanft aneinanderlehnen. Und einen Ginkgobaum hat sie Goethe getauft, weil sie ihn nach einer Lesung in Weimar geschenkt bekommen hatte. 2022 muss Kubitschek Abschied von ihrem Zuhause am Bodensee nehmen, es wird ihr zu groß und zu viel, sie zieht nach Ascona am Lago Maggiore und verlebt dort ihre letzten Jahre.

Angst vor dem Tod hat Ruth Maria Kubitschek nie gehabt. Sie war oft mit dem Sterben konfrontiert worden. Ihr Bruder hat sich erschossen, ihre drei anderen Geschwister sind ebenfalls schon tot, genau wie viele Freundinnen und Freunde. „Ich musste mich einfach oft mit dem Tod beschäftigen und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir das alles nicht so tragisch nehmen sollten.“

Sie schrieb darüber sogar ein Buch: „Anmutig älter werden“. Es sollte vor allem den Frauen die Angst vor dem Alter und dem Tod nehmen. „Es gibt nur das ewige Leben. Alles kommt und geht und ist im Fluss, und damit ist wirklich nichts endgültig.“ Dieser Gedanke, fand die große Ruth Maria Kubitschek, „ist doch recht schön, oder?“. STEFANIE THYSSEN

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