URAUFFÜHRUNGEN

Singin‘ in the Rain

von Redaktion

Das Auftakt-Wochenende der Münchener Biennale für neues Musiktheater

Alle Sinne werden gekitzelt in der etwas verklausulierten Premiere von „Shall I build a Dam“. © Judith Buss Fotografie

Die Eröffnungsproduktion „Searching for Zenobia“ mit der reizvollen Musik von Lucia Ronchettiillustriert das Thema Flucht und Migration leider auf zu plakative Weise. © Judith Buss

Frank Sinatra empfand „Singin‘ in the Rain“ bekanntlich als „glorious feeling“. Die Macher der Münchener Biennale tun gut daran, sich dieses Gefühl zu Herzen zu nehmen. Denn Regen und Wasser bedrängte und bestimmte auch das Eröffnungswochenende des Uraufführungsfestivals für neues Musiktheater, das dem klassisch-romantisch gefärbten Operngestus oft genug irritierende Wege in eine performative Zukunftsmusik entgegenstellt. Tatsächlich waren die ersten drei von insgesamt zwölf Premieren von Wasseradern durchzogen und brachten also die fünfte und letzte Biennale von Manos Tsangaris und Daniel Ott feucht und fließend auf den Weg: „On my Way“ lautet schließlich das Motto, mit dem das künstlerische Leitungsteam „unterschiedliche Ideen für künstlerische Parallelstraßen, Gegenbewegungen und/oder Schleichwege“ ausloten will.

Mit einer Limousine durch Haidhausen

Übel spielt der heftige Dauerregen vor allem den Outdoor-Produktionen mit, die durch Aktionen im öffentlichen Raum die vierte Wand zwischen Zuschauern und Bühne einreißen. Wie Nico Sauers „RÜBER“, einer „Traffic Opera“ zwischen Fluxus und Trash. Ein Publikum von je drei Personen wird in einer Limousine durch Haidhausen kutschiert – auf dem Weg entfaltet Sauer exzentrischen Witz, den die einen als schwachsinnigen Klamauk, andere als erfrischende Hyperoper empfinden: Im mobilen Theatersaal mischen sich die akustischen Eindrücke der Stadt mit inszenierten Klangereignissen und irritierenden Interventionen ein- und aussteigender Performerinnen. Eigentlich, denn der Starkregen ist weder den Darstellern noch deren Instrumenten zuzumuten, weshalb die Premiere ins Wasser zu fallen drohte – und dann doch kurzfristig in einer improvisierten „Regen Edition“ über die Bühne ging.

Weniger dramatisch spielt der Regen Indoor-Veranstaltungen wie der Eröffnungsproduktion „Searching for Zenobia“ in der Muffathalle mit. Das Publikum sitzt rund um ein lang gezogenes Spielfeld, wo ein kleines Wasserbecken mit darin treibender Schwimmweste das Thema Flucht und Migration illustriert – leider auf ziemlich plakative Weise. Das gilt ausdrücklich nicht für die Musik von Lucia Ronchetti, die eine reizvolle, Zeit und Raum umspannende Klangmischung aus Neuer und Alter Musik westlicher Prägung mit Elementen traditioneller syrischer Musik komponiert: Arabisch inspirierte Melodien und Rhythmen der Sängerin Mais Harb und des Perkussionisten Elias Aboud verschmelzen mit den avancierten Harmonien von Ronchetti, die sie mit barocken Originalklängen aus Albinonis Oper „Zenobia“ verwebt.

Die Geschichte der antiken syrischen Königin (Milda Tubelyte) koppelt Mohammad Al Atta in seinem Libretto mit den Jetztzeit-Erfahrungen einer geflüchteten Mutter (Naima Laube) und ihrer Tochter (Mais Harb). Grundsätzlich offeriert er damit eine spannende transhistorische und -kulturelle Anordnung – wäre da nicht die Inszenierung, die das komplexe Tableau zu einer Betroffenheitszeremonie stilisiert.

Dem wäre vonseiten der Regie (Isabel Ostermann) oder dramaturgisch leicht abzuhelfen gewesen, wären die allzu plakativen Textpassagen schlichtweg gestrichen worden – erzählt doch die Musik eine postmigrantische Klangutopie, die mehr als Worte sagen und fühlbar machen kann. Das beweist die unglaublich agile und aufmerksame Dirigentin Susanne Blumenthal, die den Frauenchor und das Streicherensemble des Staatstheaters Braunschweig couragiert zusammenhält.

Eisquader, die langsam schmelzen

Apropos Ausschöpfen: Auch wenn die dritte Uraufführung der 19. Münchener Biennale im Schwere Reiter und damit im Trockenen stattfand – wurde schon beim Eingang vor nassen Füßen gewarnt. Denn Wasser in allen Aggregatszuständen ist das Thema von „Shall I build a Dam?“, wo sich Choreografin Simone Aughterlony und Bühnenbilder Joseph Wegman an einer „posthuman hydro-feministischen Perspektive“ versuchen. Aber so plakativ „Zenobia“ zu Werk geht, so verklausuliert ist diese Produktion, die immerhin die Sinne kitzelt und fluide Assoziationen freisetzt.

Große, langsam schmelzende Eisquader spielen da eine Rolle, die dem couragierten Ensemble KNM Berlin wahl- und szenenweise als Klavierhocker, Rutschfahrzeug und Lichtprisma dienen – und ganz am Ende zu Gin Tonic verarbeitet werden. Davor vibriert der in vier Inseln mit unterschiedlichen Instrumentengruppen aufgeteilte Saal zunächst vor wummernden Drones. Quer darüber sind Schläuche verlegt, aus denen im Verlauf der 70 Minuten Wasser fließt, pritschelt und tröpfelt – wie der reale Dauerregen vor der Tür. ANNA SCHÜRMER

Das Festival

läuft noch bis zum 10. Juni; Informationen zum Programm und zum Vorverkauf unter www.muenchener-biennale.de.

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