FOTO-AUFRUF

Leben unterm Kessel

von Redaktion

Das Bergson Kunstkraftwerk sammelt Bilder vom einstigen Heizwerk

„Wir kommen immer rein“: Botschaft eines Nachtschwärmers im ehemaligen Heizwerk in Aubing. © kjk

Dornröschenschlaf: Das Bergson-Gelände früher.

Imposante Industriebrache: So sah es im Bergson vor der Renovierung aus. © Fotos: Sascha Kletzsch/Bergson

Unter den einstigen Kohlesilos des Heizwerks in Aubing feierte die Szene illegale Partys. Die Graffiti zeugen von bunten Sausen.

„Wir kommen immer rein.“ Klare Ansage. In schwarzen Lettern von irgendeinem Nachtschwärmer an einem Märzabend Anfang der 2000er an die Betonwand gesprüht. Im ehemaligen Heizwerk in Aubing. Diesem verboten beliebten Ort für Raves und Partys und Videodrehs. Für Fotoshootings, Rausch und Remmidemmi. Ein unangemeldeter Offspace, abgeriegelt, weil jedem Besucher das Wasser im Keller bis zu den Hüften stand, rostige Stolperfallen allüberall. Doch im Nachtrhythmus sind sie hier eingebrochen, in den Achtzigern, Neunzigern, 2000ern. Fuhren im Sommer im Untergeschoss Schlauchboot, im Winter Schlittschuh. Angezogen von diesem magischen Ort.

Wer ihn heute besucht, der sieht die Graffiti von einst nicht mehr. Aber man spürt sie noch, die Energie, die hier strömte – auch ohne Kohle in den Silos. Wie berichtet, haben Christian und Michael Amberger das ziemlich heruntergekommene Gebäude und Gelände in eine prächtige Schönheit verwandelt; haben im Frühling dieses Jahres das Bergson Kunstkraftwerk eröffnet – und laden nun täglich mit ihrem Team zu Konzerten, Kunst, Lesungen, Vorträgen, Gastro auf Spitzenniveau. Bewusst haben sie bei aller hochwertigen Ausstattung darauf gesetzt, den besonderen Industriearchitektur-Charme zu bewahren. Weil sie sich der Historie des Ortes verpflichtet fühlen, das Band zur Subkultur nicht abreißen lassen wollen. Willkommenskultur in alle Richtungen ausstrahlen. Das zeigt sich am kunterbunten Programm, an der fairen Preisstruktur für alle Einkommensklassen und an Aktionen wie diesen: Das Bergson lädt zur Reise in die Vergangenheit.

„Wir sind auf der Suche nach Münchnerinnen und Münchnern, die uns ihre Bilder, Videos und Geschichten vom ehemaligen Aubinger Heizwerk zuschicken“, erklärt Sarah Winter, Communications Managerin des Bergson. Nicht nur einfach so fürs Archiv – das gesamte Material soll Teil einer Dauerausstellung im Bergson Kunstkraftwerk werden. Je abwechslungsreicher, desto spannender. Ob Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Großeltern, die in der Gegend aufgewachsen sind, oder wackelige Sequenzen schummeriger Partyszenen, mit dem Camcorder in der einen Hand gefilmt, in der anderen das Bier im überschwappenden Plastikbecher. „Wir sind auf der Suche nach den individuellen Geschichten, die diesen Ort geprägt haben“, sagt Winter. Und freut sich über alle Beiträge in Form von Texten, Fotos oder Videos per E-Mail an bilder@bergson.com oder via Instagram @bergson. Hier kommen alle rein – für Momente, die bleiben. KATJA KRAFT

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