Hollywoodreife Geschichte: Liam Neeson spielte im Jahr 1993 in Steven Spielbergs Film Oskar Schindler. © ddp
Hörstation: Raimund Paleczek im Sessel, in dem man eine Schindler-Rede hört, gesprochen von Friedrich von Thun.
Schindlers Liste: Noch nie wurde dieses Original öffentlich gezeigt. Im Sudetendeutschen Museum steht man bewegt davor angesichts der geretteten Leben, die hinter jedem Namen stehen. © Astrid Schmidhuber (3)
Ein Lebemann, der Leben rettete: Oskar Schindler (1908-1974).
Am Anfang ist er ein Kriegsgewinnler, wie er im Buche steht. Ein Bonvivant, der gerne prasst, die Frauen liebt. Nichts ist zu ahnen von der Heldentat, mit der man den Namen Oskar Schindler (1908-1974) später verbinden wird. 1200 jüdische Menschen rettete er vor den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ (1993) erzählt die hollywood–reife Geschichte. Aber eben: ausgeschmückt, verdichtet, inszeniert fürs Kinopublikum. Anlässlich des 50. Todestages von Schindler am 9. Oktober dieses Jahres hinterfragt das Sudetendeutsche Museum, wie viel Realität und wie viel Fiktion in dem Film stecken; in der sehenswerten Sonderausstellung „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“, die bis Herbst läuft.
Die Kuratoren Eva Haupt und Raimund Paleczek haben das Leben des sudetendeutschen Industriellen in mehrere Kapitel aufgefächert. Und zeichnen auf anschauliche Weise nach, wie Schindler zum Helden wurde. Dass er zunächst ganz pragmatisch ökonomisch dachte: Die jüdischen Arbeiter sollten ihm nicht von den Nazis genommen werden. Doch als ihm das Ausmaß der NS-Gräueltaten bewusst wird, beginnt Schindler, sein Leben zu riskieren, um das der anderen zu retten. Unsummen an Bestechungsgeldern zahlt er, um die jüdischen Arbeiter seiner Fabrik in Krakau dem tödlichen Zugriff der Nazis zu entziehen. Engagiert sich für Joint, die in Europa tätige Hilfsorganisation US-amerikanischer Juden. Und tut, womit er zum Vorbild wird: Haltung zeigen, dem Grauen trotzen.
Das Herzstück der Ausstellung bildet das Original einer zweiseitigen Schindler-Liste vom 29. Januar 1945, die noch nie zuvor öffentlich gezeigt worden ist. Darauf die Namen von 81 jüdischen Häftlingen aus dem Konzentrationslager Golleschau/Golezów, einem Nebenlager des KZ Auschwitz. Spricht man von „Schindlers Liste“, denken die meisten wohl an die mehr als 1000 geretteten Männer und Frauen aus Schindlers Fabrik. Weniger bekannt ist, dass Schindler darüber hinaus die Insassen von mehreren Waggons sogenannter KZ-Auflösungstransporte aufnahm. Tausende Häftlinge fuhren damals tagelang hungernd und frierend in diesen Zügen in den Tod. Vier Transporte konnte Schindler zu sich nach Brünnlitz umleiten. Dort pflegte seine Frau die ausgemergelten, geschundenen Menschen zurück ins Leben. Explizit würdigt die Schau auch die wichtige Rolle von Emilie Schindler. Die übrigens – eine der vielen spannenden Geschichten, die man hier erfährt – in der Schlussszene in „Schindlers Liste“ zu sehen ist. Am Grab ihres verstorbenen Mannes in Israel.
Die von ihm Geretteten haben sich als „Schindler-Juden“ bezeichnet. 6000 bis 8000 Nachfahren leben heute. Die Saat der Mitmenschlichkeit ist aufgegangen. KATJA KRAFT
Bis 27. Oktober
im Sudetendeutschen Museum, Hochstraße 10, München;
Di.-So. 10-18 Uhr.