PREMIERE

Ihr Leben – ein Tanz

von Redaktion

„Frida Kahlo“ von Enrique Gasa Valga begeistert im Deutschen Theater München

Sinnlich, leidenschaftlich – und ein mitreißendes Tanztheater-Erlebnis: „Frida Kahlo“ mit Pilar Fernández Sánchez in der Titelrolle und Gabriel Marseglia als Diego Rivera gastiert derzeit am Deutschen Theater. © Susanne Brill

Als „entscheidendes i-Tüpfelchen“ seiner Kooperationen bezeichnet Thomas Linsmayer, Chef des Deutschen Theaters München, den erfolgreichen Tanzexport aus Tirol, die Limonada-Dance Company, die ihr Publikum am Donnerstagabend mit „Frida Kahlo. Pasión por la Vida“ in rauschhafte Zustände versetzte. Tatsächlich kann die Premiere als einer der Höhepunkte der Saison bezeichnet werden. Nach der Anfang des Jahres gezeigten Produktion „Der große Gatsby“ – ebenfalls aus der Hand des Katalanen Enrique Gasa Valga (wir berichteten) – verspricht das erstmals in Deutschland präsentierte Tanz-Stück erneut ein Kassenschlager zu werden.

Der Zeitpunkt für die Neueinstudierung war ideal gewählt, denn am 13. Juli jährt sich der Todestag der mexikanischen Künstlerin zum 70. Mal. Im Zentrum von „Frida Kahlo“ steht allerdings nicht die Malerin, sondern die Frau selbst, die geleitet und überwältigt wird von widerstrebenden Emotionen: einem Leben, das gezeichnet war von Krankheit, tragischem Unfall und gebrochenem Herzen aufgrund der notorischen Untreue ihres Künstler-Ehemanns Diego Rivera (Gabriel Marseglia).

Ein weiterer Schicksalsschlag war die ungewollte Kinderlosigkeit, da Kahlo aufgrund eines verheerenden Busunglücks mehrere Fehlgeburten erlitt, was hier mit beklemmenden Bildern dargestellt wird: Frida Kahlo, die im blutdurchtränkten Nachthemd ihr Alter Ego tröstet. Dies war die wohl gravierendste dramaturgische Entscheidung, die überlebensgroße Künstlerin in zwei Fridas aufzuteilen: eine, die das Leben in glühender Farbenpracht liebt (Pilar Fernández Sánchez), und die andere, die von tiefer Trauer ein ums andere Mal niedergeworfen wird und mit der Wertigkeit des Lebens hadert (Lara Brandi). Es verwundert kaum, dass die physisch so versehrte Gestalt Frida Kahlo, die große Teile ihres Lebens an Bett und Rollstuhl gefesselt war, gerade für den Tanz eine wichtige künstlerische Inspiration darstellt.

In 28 Bildern streift Valga lose durch das Leben der Malerin und vertieft biografische Motive. Herzstück der Inszenierung sind die mitreißend choreografisch-musikalischen Szenen, die augenblicklich in Urlaubsstimmung versetzen und das Publikum dank des Farbenrauschs an dem an mexikanischer Tracht angelehnten Kostümbild (Birgit Edelbauer-Heiss) und ausgeklügeltem Farbspiel (Licht: Freddy Rock) die heiße Sonne des Südens spüren lassen. Wobei das reduzierte Bühnenbild von Helfried Lauckner einen variablen Stimmungs- und Raumwechsel ermöglicht und an keiner Stelle vom seelischen Innenraum Frida Kahlos ablenkt, einer Künstlerin, die sich am liebsten selbst porträtierte.

In knisternd-sinnlicher Atmosphäre entfalten sich erstklassige Tanznummern, die von Flamenco-Einlagen, vom Tango inspirierten Choreografien bis zu klassisch eingefärbter Bewegungssprache mit folkloristischem Timbre reichen und eine facettenreiche Stilistik beweisen.

Eigentliche Attraktion ist die grandiose Sänger-Darstellerin Greta Marcolongo, die durch den Abend führt und mit ihrer gewaltigen Latino-Stimme begeistert – gemeinsam mit der superben Band bildet sie mit neu arrangierten Boleros und Tangos den idealen Soundtrack für das Leben Frida Kahlos. Zwar weist der Abend inszenatorische Schwächen auf – etwa, wenn der im Stück omnipräsente Tod (Sayumi Nishii) charakteristischerweise Spitze tanzen muss, die bisexuelle Neigung Kahlos so zaghaft präsentiert wird oder die Malerei, die diese Künstlerin schließlich ausgemacht hat, so wenig im Vordergrund steht.

Dennoch überwiegt die sinnliche, leidenschaftliche Atmosphäre, die sich unmittelbar aufs Publikum überträgt. Hiermit handelt es sich bei „Frida Kahlo“ um ein mitreißendes Theatererlebnis, das in seiner Lebensbejahung beglückt und berauscht: Viva la Vida! ANNA BEKE

Weitere Vorstellungen

bis 22. Juni;
Telefon 089/55 234 444.

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