Prächtige Zeitmaschine

von Redaktion

Intendant Josef Kröner über Zauber und Programm des Herrenchiemsee-Festivals

Kent Nagano dirigiert drei Konzerte. © Sergio Veranes

Josef Kröner, Intendant der Festspiele. © Christine Schneider

Der Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee dient als beeindruckende Kulisse für die Festspiele, bei denen in diesem Jahr Anton Bruckner im Fokus steht. © Münchenmusik

Am 150. Geburtstag des Oberösterreichers kommt auch dieses Festival nicht vorbei. Auch wenn die monumentalen Symphonien den Spiegelsaal des Königsschlosses an akustische Grenzen bringen. Anton Bruckner wird also eine wichtige Rolle spielen beim diesjährigen Durchgang der Herrenchiemsee-Festspiele zwischen dem 16. und 28. Juli. Gleich drei Symphonien in drei Konzerten wird Kent Nagano dirigieren: die vierte in der selten zu hörenden Urfassung (und mit dem Originalinstrumenten-Ensemble Concerto Köln!), die sechste und die unvollendete neunte, dann jeweils mit dem Orchester der Klangverwaltung.

Nagano ist so etwas wie die Promi-Konstante für das Festival im Chiemsee. Nach dem Tod des Gründers Enoch zu Guttenberg im Jahr 2018 trat Nagano, ehemaliger Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, dort immer wieder ans Pult. „Kent Nagano macht ja gern total schräge Sachen“, formuliert es Josef Kröner. „Bei uns habe ich den Eindruck, dass er die Standardwerke mit einem guten Orchester richtig genießt.“ Kröner, seit der Festivalgründung 2001 dabei, ist mittlerweile Geschäftsführender Intendant. Er war Mitglied des Münchner Rundfunkorchesters, Mitbegründer von Enoch zu Guttenbergs Ensemble der Klangverwaltung und anfangs auf Herrenchiemsee für die künstlerische Koordination verantwortlich.

„Ich weiß, ich bin kein Guttenberg“, sagt Kröner. Und natürlich fürchteten alle, dass nach Guttenbergs Tod sowohl die Ensembles der Klangverwaltung als auch das gesamte Festival aufgelöst werden. Doch dies trat nicht ein, auch dank Kröners Programmpolitik und seiner Vernetzung auf dem internationalen Klassikmarkt. Überdies genießen die Spielorte auf Schloss Herrenchiemsee und im Münster auf der Fraueninsel ungebrochene Popularität. „Der Chiemsee ist nicht der Ort für große Experimente“, hat Kröner erfahren. Die Programme dürften allerdings auch „nicht platt“ sein. Manchmal baue er kleine Besonderheiten ein wie ein Werk von Wolfgang Rihm. Oder Schönbergs Kammersymphonie: Die hat mit Zwölftonmusik noch nichts zu tun, ist pure Spätromantik – lockte aber nur 180 Besucherinnen und Besucher an. Auch damit müssen die Festspiele also umgehen können.

„Enoch hat in erster Linie interessiert, was er dirigiert – und dass viele gute internationale Ensembles geholt werden“, berichtet Kröner. Letzeres ist heuer wieder der Fall: Das Concerto Köln spielt nicht nur Bruckner, sondern auch ein Barock-Konzert. Das Münchener Kammerorchester mit Stefano Montanari ist dabei, das Kammerorchester Basel oder der Concentus Musicus Wien, der von Nikolaus Harnoncourts dortigem Nachfolger Stefan Gottfried dirigiert wird. Sogar Oper ist im Angebot: Mozarts „Zauberflöte“ gibt es als halbszenische Aufführung mit der Hofkapelle München unter Rüdiger Lotter und mit Stefan Wilkening als Erzähler.

„Wir haben von Anfang an keine Kosten gescheut, die große Qualität herzuholen“, sagt Kröner. Pro Saison hat er ein Budget von 1,2 Millionen Euro. 600 000 Euro kommen vom Freistaat Bayern, den Rest müssen die Festspiele verdienen. Mittlerweile hat der Intendant den Förderkreis wiederbelebt, erster Vorsitzender ist Bernd Sibler, Deggendorfer Landrat und früherer Bayerischer Kunstminister. Als Stellvertreter amtiert der Rosenheimer Landrat Otto Lederer. Im Kuratorium sitzen unter anderem Kurt Faltlhauser, Ex-Finanzminister des Freistaats, Priens Bürgermeister Andreas Friedrich und Roland Schwab, Geschäftsführender Direktor der Bayerischen Staatsoper.

Laut Kröner stammen 80 Prozent des Festspiel-Publikums aus dem näheren Umkreis bis München und Salzburg, 20 Prozent sind internationale Geäste. Darauf haben mit der Zeit auch manche Restaurants in Prien reagiert, von wo aus die Schiffe nach Herren- und Frauenchiemsee starten: Die Lokale haben nun länger offen. Traditionell steht das Festival unter einem Motto, das von König Ludwig II. stammt. 2024 ist es „Ein ewig Rätsel will ich bleiben…“ – ein berühmtes Zitat, das aus einem Brief des Monarchen an seine Erzieherin stammt. „Für mich ist Herrenchiemsee mit seinem Spiegelsaal wie eine Zeitmaschine“, meint Kröner. „Der Raum hat als Vorbild Versailles, und weil alles im Königsschloss stattfindet, bin ich automatisch bei Ludwig II., damit schnell bei Richard Wagner – und bei dessen Bewunderer Anton Bruckner.“ MARKUS THIEL

Informationen

und Tickets unter www.herrenchiemsee-festspiele.de.

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