Die Hosen brettern über Buenos Aires

von Redaktion

Die Punkrocker feiern mit der Live-Platte „Fiesta y Ruido“ ihre Liebe zu Argentinien

Gegen eine Wand aus Lärm spielten Campino (re.), Gitarrist Kuddel und Kollegen bei Konzerten in Buenos Aires an. © bastian bochinski

Den Gruß „Gute Nacht“ ruft man sich auch im Spanischen ja eher zu, wenn man sich zur Ruhe legt. Bei den Toten Hosen ist das gelinde gesagt etwas anders: In dem Moment, in dem Campino gegen eine Wand aus frenetischem Lärm brüllt „Buenas noches, Buenos Aires!“, bricht auf und vor der Bühne eine Raserei los, die während der gesamten Spielzeit der neuen Live-Platte der Düsseldorfer Punkrocker nicht ein Dezibel nachlässt. „Fiesta y Ruido“ heißt sie, in etwa „Party und Radau“. Und genau das ist sie.

Ein ganz normales Hosen-Konzert also, mag der Fan sagen. Doch fühlt sich das hier noch mal anders an. Vertraut – und trotz der spanischen Ansagen des Frontmanns im argentinischen Fußball-Dress wie ein Heimspiel. Schon beim ersten Lied „Alle sagen das“ schallt jede einzelne Textzeile aus zigtausend Kehlen, und viele der Anhänger werden weder die Anspielungen auf „Rock am Ring“ noch auf die vermeintliche Konkurrenz zu den Ärzten verstehen. Aber das ist ihnen und Campino – ganz genau: „scheißegal“.

Am 11. September 1992 spielten die Toten Hosen in Buenos Aires zum ersten Mal live in Argentinien, es war der Beginn einer großen Liebe zwischen der Band aus Düsseldorf und den Südamerikanern. 2022 jährte sich der Auftritt zum 30. Mal, was man angemessen mit einigen Konzerten in der argentinischen Hauptstadt und einer weiteren Show in Tandil feierte. Wie die Band mitteilt, habe man „zu Trainingszwecken“ einige der Abende mitschneiden lassen. „Vor ein paar Monaten schmiss Gitarrist Kuddel auf der Band-Weihnachtsfeier zu vorgerückter Stunde die Aufnahmen noch mal in den Player“, heißt es in dem Pressetext. „Und alle waren überrascht, dass diese nicht nur sämtliche Anwesenden, sondern sogar die Polizeibeamt*innen, die wenig später wegen Ruhestörung anrückten, begeisterten.“

Die Band haut im Laufe der 20 Songs umfassenden Platte auch argentinische Punk-Klassiker raus. „Más allá del bien y del mal“, „Iván fue un comunista“, „Uno, dos Ultraviolento“ und „Represión“ sind Coverversionen der Gruppen Los Violadores und Pilsen, mit deren 2021 verstorbenem Sänger Pil die Hosen eine enge Freundschaft verband. Los Violadores hatten in ihren Anfangstagen unter der Brutalität der argentinischen Militärdiktatur zu leiden, Campino erinnert bei seiner Ansage zu „Uno, Dos Ultraviolento“ daran. Dann lassen sie Beethovens Neunte vor der Ode an die „Ultrabrutale“ erklingen, auch in Anspielung auf Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“ (ihre eigene Version des Themas, „Hier kommt Alex“, ist natürlich auch am Start). Bei der Punk-Hymne „Ya no sos igual“ von Dos Minutos könnte Campino das Singen auch gleich dem Publikum überlassen – wie auch bei ihrem eigenen „Bonnie & Clyde“.

So ist dieses Live-Album nicht zuletzt auch ein Dokument der Freundschaft. Nicht nur die fünf Musiker haben über die Jahre viele Menschen in Argentinien liebgewonnen. Wie die Band schreibt, haben auch etliche deutsche und argentinische Hosen-Fans einander ins Herz geschlossen und besuchen sich regelmäßig. Nachdem sie eine Stunde über Buenos Aires gebrettert sind, spielen Campino und Co. gegen Ende „Freunde“. Und spätestens jetzt wissen alle, was gemeint ist, auch die, die den Text nicht verstehen. JOHANNES LÖHR

Die Toten Hosen:

„Fiesta y Ruido: Live in Argentinien“ (JKP/ Warner).
Das Album erscheint unter anderem als auf 10 000 Stück limitierte und nummerierte Doppel-LP-Edition mit jeweils einer blauen und weißen Vinyl-Scheibe.

Artikel 1 von 11