Diese Filme schlagen Brücken

von Redaktion

Der Friedenspreis wurde feierlich im Münchner Cuvilliéstheater verliehen

Zu Freunden wurden Stephen Fry und Julia von Heinz durch ihren gemeinsamen Film „Treasure“. © Luca Phil Franze

Singender Preisträger: Traditionell sorgt Christian Friedel beim Friedenspreis für musikalische Momente. © Luca Phil Franze

Ausgezeichnet: die Preisträger Julia von Heinz (4. v. li.), Christian Friedel (3. v. re.), Ewa Puszczynska, die den Preis stellvertretend für Jonathan Glazer entgegennahm, und Mstyslav Tschernow (re.). Auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (li.) und der Schauspieler Stephen Fry (2. v. li.) kamen zur Gala, zu der Elisabeth Wicki-Endriss (3. v. li.) erneut eingeladen hatte. © Tinnefeld/api

Man möchte die Augen verschließen. Mstyslav Tschernow weiß das. „Es tut weh, dies zu sehen – aber das muss es auch.“ So heißt es in seinem Dokumentarfilm „20 Tage in Mariupol“. Im Frühjahr hat der ukrainische Journalist für dieses erschütternde Zeitzeugnis über die russische Invasion in die Ukraine den Oscar in der Kategorie bester Dokumentarfilm gewonnen. Am Dienstagabend sitzt er im Cuvilliéstheater in München bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Films „Die Brücke“. In wenigen Minuten wird er den mit 5000 Euro dotierten Spezialpreis erhalten. Doch zuvor hält der stellvertretende Leiter der „Bild“-Politikredaktion, Filipp Piatov, eine Laudatio, die deutlich macht, warum Filme wie der von Tschernow so wichtig sind.

Ein großer Teil von Piatovs Vorfahren wurde 1941 in Belarus getötet. „Damals war niemand da, der erzählte, was passierte, als es passierte.“ Kein Journalist hielt die Gräuel fest. Harrte mutig aus, um zu berichten. Als im Februar 2022 der Krieg in der Ukraine begann, floh, wer konnte. Mstyslav Tschernow tat es nicht. Er blieb mit seiner Kamera, um „das Böse zu zeigen, wie es ist“. Die sterbenden Kinder, die verzweifelnden Eltern, das Blut, die Schreie – all das ist kaum zu ertragen. Aber wegschauen hieße leugnen. Piatov voll Dank an Tschernow: „Ihr Film zertrümmert jede Lüge, die vom Regime über diesen Krieg verbreitet wird.“

Die Wahrheit hochhalten, die Fake News mit unverfälschten Bildern überschreiben – es ist ein Appell, den alle Preisträgerinnen und Preisträger dieser berührenden Gala in ihre Dankesworte aufnehmen. Seit 2002 ehrt der Bernhard Wicki Gedächtnis Fonds herausragende Filmschaffende für künstlerisch wertvolle Werke mit humanistischer und gesellschaftspolitischer Dimension. Angesichts von gefährlich besser werdender Bildmanipulationsprogramme ist man Elisabeth Wicki-Endriss so dankbar für ihr unermüdliches Engagement, die Arbeit von Filmemachern zu fördern, die sich der objektiven Wahrheit verpflichtet fühlen. Wicki-Endriss lädt zu diesem Preis in Gedenken an ihren verstorbenen Ehemann Bernhard Wicki (1919-2000). Doch künftig wird sie das nurmehr von der zweiten Reihe aus tun. „Ich gebe den Staffelstab an Katrin Strauch weiter“, verkündet die 79-Jährige. Mit Strauch, die seit Jahren als Organisatorin im Hintergrund dafür sorgt, dass dieser Preis auch international große Bedeutung hat, übernehme eine „verlässliche Freundin, liebenswert und unbeirrbar in ihrem Engagement“.

Das Brückenbauen, es geht also weiter. Neben Mstyslav Tschernow erhalten an diesem Abend drei weitere Menschen den Preis, der ausschaut wie ein Brückenpfeiler. Der britische Regisseur Jonathan Glazer in der Kategorie international für seinen hammerharten, unvergesslichen Film „The Zone of Interest“; dessen Hauptdarsteller Christian Friedel in der Rolle des Auschwitz-Lagerkommandanten Rudolf Höß wird mit dem Darstellerpreis geehrt. Für „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“ nimmt Julia von Heinz den nationalen Friedenspreis entgegen. So wächst mit jedem weiteren Geehrten nach und nach eine imaginäre Brücke rund um die Welt.

Christian Friedel war schon häufig Gast der Gala. Und verspürt jedes Mal ein tiefes Glück. Darüber, „dass wir die Kunst haben, die zu einem Dialog einlädt“. Wenn Hoffnung gerade schwer zu finden ist, bleiben Kunst und Kultur Rettungsanker. Friedel: „In diesen dunklen Zeiten könnte die Antwort Kommunikation sein.“ Augen und Ohren auf, zusehen, zuhören. Für ein bisschen Frieden. KATJA KRAFT

Sendehinweis

Einen 90-minütigen Zusammenschnitt der Preisverleihung zeigt 3sat am 29. Juni um 23.25 Uhr und das BR Fernsehen am 2. Juli um 23.45 Uhr. Die Sendung ist auch in der ARD Mediathek abrufbar.

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