Standing Ovations für Sandra Hüller und Kollegen. © leic
Wie äußert man Zuneigung, seine Liebe gar? Für das Publikum im ausverkauften Münchner Residenztheater ist das am Dienstag eine Frage der eher läppischen Art. Auftrittsjubel, als Sandra Hüller und ihre beiden Musiker auf die Bühne kommen; Szenen-Applaus und noch mehr Jubel während dieser intensiven 90 Minuten; Standing Ovations am Ende – und: Jubel, eh klar. Für Isa indes, die Figur, die Hüller hier spielt, ist die Eingangsfrage alles andere als leicht zu beantworten. Dazu jedoch gleich.
Es ist der erste öffentliche Auftritt Hüllers in München, seit die Schauspielerin heuer im Frühjahr für ihre Rolle im französischen Justizdrama „Anatomie eines Falls“ als beste Hauptdarstellerin für einen Oscar nominiert war. Gestern wurde nun bekannt, dass die Academy of Motion Picture Arts and Sciences der 46-Jährigen die Mitgliedschaft angeboten hat. Erneut eine Ehrung.
Doch an diesem Abend geht’s um anderes, um Wahrhaftigeres. Darum, im Spiel einen Menschen zu gestalten, ihn vorzustellen und ihn im besten Sinne für ein Publikum erfahrbar zu machen. Wolfgang Herrndorf (1965-2013) erzählt in seinem unvollendet gebliebenen Roman „Bilder deiner großen Liebe“, 2014 postum erschienen, von Isa. Die jugendliche Ausreißerin ist die interessanteste Figur in „Tschick“ (2011), dem größten Erfolg des Autors. Gleichwohl blieb sie dort eine Episode – in diesem Fragment darf sie endlich ihre (vielleicht ausgedachte?) Geschichte schildern: furchtlos, verträumt, taff und doch geprägt von Zerbrechlichkeit. Isa ist eine Reisende, eine Suchende, stets auf der Spur des großen Rätsels, das dieses Leben eben ist.
Ein Glück, wer Hüller und die beiden Musiker Sandro Tajouri und Moritz Bossmann auf dieser Reise begleiten durfte. Die Schauspielerin gestaltete den Monolog mit tatsächlich allen Facetten, zu denen die menschliche Stimme fähig ist. Das Duo begleitete und spiegelte ihre Performance und setzte geschickt Kontrapunkte. Ein Erlebnis.
2016 hatte die Inszenierung von Tom Schneider Premiere in Zürich – in München war jetzt Dernière. Das ist sehr schade. Doch Hüller bleibt noch in der Stadt: Am Samstag stellt sie ihre neue Komödie „Zwei zu eins“ zur Eröffnung des Filmfests vor. MICHAEL SCHLEICHER