AUSSTELLUNG

Wünsch dir was!

von Redaktion

Paul Maars „Samselsurium“ im Buchheim Museum

Mitmachstationen gibt es in der Schau. Bei dieser kann man Fotos machen. © kjk

Auch Troll Tojok ist eine beliebte Figur aus Paul Maars Geschichtenkosmos. © Paul Maar

Einfach mal abhängen: Vom Sams lernen kleine und große Leser, wie unbeschwertes Leben geht. © Paul Maar

Der wahre Papa vom Sams: Paul Maar in der Ausstellungskulisse im Buchheim Museum. © kjk

Freches Kerlchen mit Wunschpunkten im Gesicht: das Sams. © Paul Maar

Sein Vater hat von Literatur nicht viel gehalten. Wenn der kleine Paul Maar als Bub mit einem Buch im Sessel herumlümmelte, hieß es gleich: „Du hast wohl nichts zu tun. Komm, nimm dir den Besen und feg durch.“ Also hat Paul heimlich gelesen, bei seinem Freund Wolfram. Es sind die Nachkriegsjahre in Schweinfurt, eine Stadtbibliothek hat noch nicht wieder eröffnet. Maar, Jahrgang 1937, findet sein literarisches Futter im Amerikahaus. Doch Kinderbücher sucht er dort vergeblich. Also liest der Zehnjährige Hemingway, Faulkner. „Ich erinnere mich noch an die endlosen Dialoge in Hemingways Texten. Einmal habe ich mir vor jedem Satz den Namen desjenigen geschrieben, der gerade spricht. Als die Dame das bei der Bücherrückgabe registrierte, gab’s mächtig Ärger – sie drohte: noch einmal und ich bekäme keine Bücher mehr!“, erzählt Paul Maar lachend. Er ist nach Bernried (Landkreis Weilheim-Schongau) gekommen, um vielen kleinen und großen Menschen eine mächtige Freude zu bereiten: Ab Samstag kann man im Buchheim Museum in sein „Samselsurium“ eintauchen.

Die von Angela Nestler-Zapp kuratierte Ausstellung lädt ein in die kunterbunte Welt von Paul Maar. Anders formuliert: Hier werden Wünsche wahr. Wobei, in Wahrheit muss es heißen: Hier können Wünsche wahr werden. Denn ganz so einfach ist das im echten Leben ja leider nicht. Ein Sams mit blauen Wunschpunkten im Gesicht hat keiner daheim. (Und wer’s hat, der verrät’s nicht. Streng geheim!) Das „Sams“ ist Paul Maars größter Erfolg. Nicht nur Kinder sind verrückt nach den ab 1973 erschienenen Geschichten um das freche rothaarige Kerlchen, das dem ängstlichen Herrn Taschenbier zeigt, wie unbeschwertes Leben geht. Mit jedem Wunsch, den das Sams erfüllt, verschwindet einer der Punkte im Gesicht.

Das beflügelt die Fantasie. Täglich bekommt Paul Maar Briefe, der Stift von unsicher geführter Schreibanfängerhand geführt. Der Autor beantwortet sie alle, fügt liebevolle Zeichnungen ein. In einer Vitrine auf der Empore des Ausstellungssaals sieht man ein paar der herzerfrischenden Korrespondenzen. Und kann nachvollziehen, warum Maar manches Mal einen ganzen Nachmittag daran sitzt. Lange um die rechten Worte ringt. „Wenn mir ein Kind schreibt, dass es sich wünscht, dass der Papa die blöde andere Frau verlässt und zurückkommt zur Familie, dann nehme ich mir viel Zeit zu überlegen, wie ich darauf reagiere“, erzählt er. Neben ihm eine nachgebaute Wunschmaschine, in die die Besucher Zettel mit ihren eigenen Träumen werfen können. Nicht alle werden in Erfüllung gehen. Maar, der Menschenfreund, vermittelt das den Schreibenden und Fragenden auf seine feinfühlige Art. Bestärkt sie, dass ganz tief in ihnen ein fester Kern ist, der sie stark macht, auch durch solche traurigen Phasen zu gehen. Wer hat ihn als Kind bestärkt? „Niemand.“ Er fand Trost in den Büchern. „Es war ein Wegträumen aus der Wirklichkeit.“

Vielleicht schreibt er deshalb auch mit 86 Jahren unermüdlich weiter, bewältigt rund 60 Lesungen im Jahr. Er sagt: „Meine tägliche Arbeit ist ein Kampf gegen die Demenz.“ Doch wer ihn von den vielen Kindern, auch den Kindersorgen erzählen hört, die an ihn herangetragen werden, der spürt: Da will einer den Kleinsten eine Hilfe sein, die ihm selbst gefehlt hat.

Neulich, in Münster, war es ziemlich deprimierend. Schulturnhalle, rund 200 Kinder. Maar fragt, wer Bücher daheim habe. Es meldet sich: niemand. Ob denn jemand das Sams kenne? Ja, sagt da ein Mädchen. „Aus dem Fernsehen.“ Man könnte dann verzweifeln und den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören. Oder man macht’s wie der Autor und Illustrator, der einst an der Kunstakademie Stuttgart studiert hat. „Ich habe immer Flipcharts dabei und fange an, für die Kinder zu zeichnen. Sie lieben das, zu erraten, was als Nächstes auf der Leinwand entsteht.“ Und siehe da, plötzlich bekommen sie Lust, auch mal daheim in so ein Buch reinzuschauen. „Die Lehrer erzählen mir, dass viele Kinder durch diese Lesung beschwingt das erste Mal in die Schulbibliothek kommen“, erzählt Maar. Aus seinen Augen strahlt die eigene kindliche Freude, die hat er sich bewahrt. Neben seinem Bett hat er Papier und Stift liegen. Und staunt jeden Morgen, was ihm des Nachts im Halbschlaf wieder eingefallen ist. Sein Hirn, eine große Zauberkiste. Wer jetzt nicht seine Kinder, Nichten, Neffen schnappt, nach Bernried fährt und sich verzaubern lässt, ist selber schuld. KATJA KRAFT

Bis 15. September

Am Hirschgarten 1, Bernried;
Di. bis So. 10 bis 18 Uhr.

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