An diesem Samstag startet das Filmfest München. Jeden Tag stellen wir an dieser Stelle einen der vielen Filme im Programm vor. An diesem Sonntag etwa läuft „Hesitation Wound” von Selman Nacar. Darin geht es um die vor Tatendrang strotzende Anwältin Canan. Sie übernimmt den Fall eines jungen Arbeiters, der seinen Chef getötet haben soll. Canan zweifelt aber an der Schuld ihres Mandanten – und kämpft in der patriarchalen türkischen Provinz um Gerechtigkeit. Allerdings nicht aus Überzeugung: Sie will ihr Gewissen entlasten. Ihre Mutter konnte sie nicht retten, diesen Mann vielleicht schon. Filmemacher Selman Nacar erschafft eine korrupte Welt, die auch die scheinbar aufrichtige Protagonistin in ihren Bann zieht. Nach seinem Erstlingswerk „Between two Dawns” von 2021 etabliert sich Nacar mit „Hesitation Wound” langsam aber sicher als Autor, der seine Figuren so lange bedrängt, bis sie vor moralisch fragwürdigen Entscheidungen stehen. Zeitweise verliert er sich in Metaphern auf das verfaulte System, liefert aber bis zum Schluss ein aufregendes Drama. (Sonntag, 30. Juni, 17 Uhr, Filmmuseum; Dienstag, 2. Juli, 14.30 Uhr, HFF.)
MA