Bildgewalt

von Redaktion

„Elektra“ bei den Opernfestspielen

Mit beiden Händen reckt sie das Beil in die Höhe. Sie, deren Gedanken nur um die Rache kreisen: Elektra, die Tochter des gemeuchelten Agamemnon. Und doch steckt in ihr so viel Zartheit – zumindest bei Richard Strauss, dessen Tragödie von 1909 am Sonntag im Nationaltheater den Reigen der Opernfestspiele fortführte.

Elena Pankratova ist seit einiger Zeit der Mittelpunkt dieser 1997 von Herbert Wernicke inszenierten und ausgestatteten „Elektra“, die in ihrer klaren, bildgewaltigen Optik immer noch das Publikum bannt. Als Hochdramatische hat sich Pankratova Weichheit und Schmiegsamkeit ihrer Stimme bewahrt, die immer wieder staunen macht. Aus ihr spricht, wunderbar phrasiert, die Liebe zum Vater wie zum zunächst unerkannten Bruder Orest. Nicht nur in den feinsten Piani, auch im hohen Rache-Fortissimo bleibt der Klang rund, ja schön.

Spitzeres, Schrilleres entfährt Vida Mikneviciute als Chrysothemis, der doch eigentlich weicheren Schwester, die hier aufgeregt herumflattert, unfähig zur Tat, aber den Schmuck der Mutter als Erste fleddert. In letzterer Rolle ist Violeta Urmana aktiv. Sie verrät als würdevolle Klytämnestra nicht ihre Stimmkultur, wenngleich man sich beim Auftritt auf der hinteren Treppe etwas mehr Durchschlagskraft gewünscht hätte. Leider bleiben alle Damen – auch die stimmschönen Mägde – Hugo von Hofmannsthals Versen einiges schuldig. Allein bei Orest, dem Karoly Szemeredy keinen Schmelz gönnt, versteht man etwas mehr.

Schuld am Textmangel ist jedenfalls nicht das Geschehen im Graben. Abgesehen von den wenigen, grellen Fortissimo-Momenten musiziert das Bayerische Staatsorchester unter seinem Chef Vladimir Jurowski so flexibel und nuanciert, dass die Sänger nicht zum Forcieren genötigt werden. Zugleich darf der Zuhörer genießen, mit welcher Kühnheit und Fantasie Strauss das Riesenorchester in bis dato unbetretene Dissonanzen schickte, faszinierende Instrumenten-Kombinationen aufschichtete und psychologische Motivarbeit betrieb. Ein bejubelter Hochgenuss. GABRIELE LUSTER

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