Hollywood in München

von Redaktion

Jessica Lange erhält im Deutschen Theater den CineMerit Award des Filmfests

Freundlicher Star: Geduldig schreibt Lange in München Autogramme. © Stiefler/babirad

Paparazzi ist Jessica Lange in ihrer jahrzehntelangen Karriere gewohnt. Die zweifache Oscar-Preisträgerin zeigt sich auch in München davon unbeeindruckt, tiefenentspannt, freundlich und nahbar – von Star-Allüren keine Spur. © Stiefler/babiradpicture

Der CineMerit Award wurde in diesem Jahr völlig neu gestaltet. Wie eine Welle schaut er jetzt aus. Und wie gut das passt! Seit dem Start des Filmfests München am Samstagabend schwappt tatsächlich eine Welle durch die ganze Stadt: eine der Kinolust, der Euphorie, des Gemeinschaftsgefühls. Jedes Kinoticket ein Surfbrett – hopp, hopp: aufgesprungen und beschwingt mitgeritten.

Am Sonntagabend, Tag zwei des Festivals, gleich der erste von vielen Höhepunkten. Jessica Lange ist gekommen. Zweifache Oscarpreisträgerin, fünfmal mit dem Golden Globe geehrt, dreimal mit dem Emmy, einmal dem Tony Award. Und was macht dieser Weltstar, der da vom begeisterten Publikum mit frenetischem Applaus im ausverkauften Deutschen Theater begrüßt wird? Sie dreht den Spieß um. Und dankt ihrerseits den Münchnern für die „außergewöhnliche Wärme“, mit der sie in der Stadt empfangen werde.

Denn die Lange ist nicht bloß zur Premiere ihres neuen Films „The great Lillian Hall“ gekommen, die an diesem Abend auf der großen Leinwand im Theater an der Schwanthalerstraße steigt. Schon am Samstag mischte sie sich ganz selbstverständlich unter die Gäste der Eröffnungsfeier. Und eröffnet heute im Deutschen Theatermuseum eine Ausstellung mit Fotoarbeiten, die sie seit Jahrzehnten als Künstlerin anfertigt (eine ausführliche Ausstellungsbesprechung lesen Sie in der kommenden Woche).

Der neue Filmfest-Leiter Christoph Gröner und Co-Leiterin Julia Weigl haben es also ganz richtig angestellt: Wie berichtet, wollten sie die Hollywood-Stars mit dem München-Bonus an die Isar locken. Hat geklappt. „Ich war noch nie zuvor hier und wünschte, ich könnte noch viel länger bleiben“, sagt eine sichtlich verzückte Jessica Lange. Die 75-Jährige bedankt sich explizit bei Gröner, Weigl und deren engagiertem Team. „Die Welt des Kinos verändert sich gerade sehr – und nicht immer zum Besten. Da tut es so gut, diesen außerordentlichen Enthusiasmus zu sehen, mit dem ihr das Filmfest München gestaltet.“ Und dann die vielen Besucherinnen und Besucher: „Applaus für euch alle. Für eure Leidenschaft fürs Kino. Dass ihr das Geschichtenerzählen feiert, Diversität und Offenheit. Es ist so wichtig.“

Der Film selbst ist dann eine bittere Geschichte. Regisseur Michael Christofer – auch er ist nach München gekommen – erzählt darin von der gefeierten Broadway-Schauspielerin Lillian Hall (Jessica Lange), die zunehmend mit Vergesslichkeit zu kämpfen hat. Während der Proben für Tschechows „Der Kirschgarten“ wird klar: Das sind nicht bloß altersbedingte Erinnerungslücken, das ist der Beginn einer Demenz.

In der Laudatio, die Gröner und Weigl selbst auf ihren ersten internationalen Star-Gast halten, erzählen sie, dass Jessica Lange ihre besondere Gabe, immer auf natürlichste Weise der Mittelpunkt jeder Szene zu werden, einst auch durch den Pantomime-Unterricht bei Marcel Marceau in Paris gelernt habe. Wie wandelbar, wie intensiv ihr Spiel ist, macht der Trailer deutlich, den die Firma Pharos wieder fantastisch und auf Kino Lust machend zusammengeschnitten hat. Es ist ein emotionaler Streifzug durch Jessica Langes lange Karriere: von ihrem ikonischen Auftritt in „King Kong“ (1976) bis zu der gefeierten Serie „American Horror Story“ (ab 2011). Als deren Titel genannt wird, jubeln die Youngsters im Saal besonders laut. Die Lange kommt an bei Jung und Alt.

Umso ernüchternder, dass sich auch eine Schauspielgröße wie sie nicht auf ihre immense natürliche Schönheit und Ausdruckskraft verlässt – und die Chirurgen in ihrem Gesicht derart herumfuhrwerken lässt. Dass sie trotz eingeschränkter Mimik auch in ihrem neuen Film ganze Gefühlswelten offenlegt, Verzweiflung, Bitterkeit, Wut, Angst, Verletzlichkeit, beweist ihre Klasse für sich. Standing Ovations. Diese Welle reißt mit. KATJA KRAFT

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