Regent mit 31 Jahren

von Redaktion

Konstantin Krimmels Liederabend im Münchner Hubertussaal

Konstantin Krimmel sang Wolf, Schubert und Loewe. © Huber

Ein gefährliches Terrain ist das. Dort, wo die Toten tanzen, Bräutigame sterben oder Könige vermeintlichen Verrätern verzeihen. Und damit sind nicht nur die Balladen von Carl Loewe gemeint, sondern auch Franz Schuberts Lied-Dramolette – die von der Überfahrt zum Hades oder dem wütenden Prometheus erzählen. In jedem Vers lauert die Versuchung: zur Theatralik, zur Opernhaftigkeit, zur Identifikation des Sängers mit dem lyrischen Ich. Als ob irgendwen interessieren sollte oder muss, was der Künstler bei diesen Kunstliedern fühlt.

Vor diesem Hintergrund ist Konstantin Krimmel schon sehr, sehr weit. 31 Jahre ist er jung und führt beim Nymphenburger Sommer im Hubertussaal vor: Hier singt kein Thronfolger mehr, da steht schon einer der Regenten des Liedgesangs. Der Bariton, seit einiger Zeit im Münchner Opernensemble, tut natürlich das, was sein muss: alle diese Miniaturen so zu formen, als ob er sie zum ersten Mal erzählt. Bei Loewe nimmt sich Krimmel dabei viel Zeit. Eine Menge kann er damit unterbringen. Stufenlose Farb- und Dynamikveränderungen, einen feinen, wie schleichenden Humor, auch Perspektivenwechsel, wenn etwa in „Herr Oluf“ gleich mehrere Personen auftreten.

Und doch ist alles in wundersamer Balance. Krimmel zielt auf maximalen Ausdruck, nie auf den Effekt. Auch gerät er nicht ins Dozieren, gerade in Wolfs drei „Harfenspieler“-Liedern droht das. Möglich ist dies alles, weil Krimmels Technik bestechend ist. Die Töne sprechen sofort an. Höhere Bereiche sind mit Kopfstimmen-Resonanz musterhaft abgesichert. Textbewusstsein führt nie zur Überprononcierung. Überhaupt die Legatokultur: Krimmels Liedgesang ist reinster Belcanto – und doch das Gegenteil von L’art pour l’art.

Wenn’s Dramatik braucht, gerade in Schuberts „Prometheus“, kann Krimmel dank seiner Opernerfahrung zulangen. Um auf der anderen Seite des Ausdrucksspektrums, bei Schuberts „Nachtstück“ oder in dessen „Litanei auf das Fest Allerseelen“ so intim zu gestalten, als sitze er neben dem Hörer auf dem Sofa. Mit Pianist Gerold Huber ergeben sich da auch aparte Kontraste. Der geht nicht nur flexibel mit, sondern ist oft Konterpart oder dialogisches Gegenüber. Und schiebt sich, der Deckel des Flügels ist sehr weit offen, auch manchmal vor den Bariton.

Außergewöhnlich ist das alles, weil Krimmel erst vor fünf Jahren mit der CD „Saga“ den Klassikmarkt betreten hat. Bei Festivals wie der Schubertiade in Vorarlberg ist der gebürtige Ulmer inzwischen eine feste Größe. Als Interpret verbindet er enormes Selbstbewusstsein mit vollkommen natürlicher Gestaltung: Krimmel will nichts sein, der ist ganz bei sich. MARKUS THIEL

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