Vor dem Omega

von Redaktion

„Songwriter“: Johnny Cashs Weg zurück

Abgebrannt und verzweifelt: Johnny Cash versuchte 1993, seine Karriere wiederzubeleben. © Universal

Das Alpha und Omega – mit biblischen Bildern hat Johnny Cash nie gegeizt. Bei ihm ging es um alles, um Liebe und Frevel, Tod und Verdammnis, die er mit seiner Gottvaterstimme besang. Insofern ist es fast prophetisch, dass er es war, der im März 1953 als junger Funker bei der Air Force (siehe Artikel links) als erster Mensch der freien Welt vom Tod Josef Stalins erfuhr und die Kunde verbreitete.

So viel zum Alpha. Wie wir wissen, war das Omega von Cashs Karriere dann besonders glorreich. Unter den Fittichen des Produzenten Rick Rubin sang er in den zehn Jahren vor seinem Tod 2003 unter dem Titel „American Recordings“ vornehmlich die Songs anderer, die er, sparsam instrumentiert, brummend und donnernd zum Neuen Testament erhob. Bevor er diesen perfekten letzten Akt seiner Kunst erreichte, musste er jedoch durchs Jammertal. Ohne Label, komplett abgebrannt und als Drogenwrack in Missouri gestrandet, kratzte er 1993 die letzten Kröten zusammen und spielte Demos ein, dank derer sich vielleicht eine Plattenfirma erbarmen würde, ihn als verlorenen Sohn anzunehmen.

Diese Aufnahmen sind nun auf Betreiben von Sohn John Carter Cash und nachbearbeitet unter dem Titel „Songwriter“ herausgekommen. Nur zwei von ihnen landeten später auf den „American Recordings“, wo sie eher zu den unscheinbaren Stücken gehörten: „Drive on“ und „Like a Soldier“. Ansonsten hört man hier häufiger den humorvollen Cash (den Rubin später auf dem Altar der Altersweisheit opferte). Auch mal gerne in der Altherren-Variante, etwa wenn er in „Well alright“ eine junge Dame im Waschsalon anbaggert, besonders schön aber im anrührenden „I love you tonite“, das er seiner Frau June widmet. Darin fragt er sich, wie sie es geschafft haben, so lange zusammenzubleiben – und ob sie wohl das neue Jahrtausend erleben werden. Er starb 2003 nur wenige Monate nach June.

Es darf bezweifelt werden, dass Johnny Cash mit diesen Songs den gleichen Erfolg gehabt hätte wie mit den „American Recordings“. Eine schöne Fußnote zum Omega sind sie trotzdem. JOHANNES LÖHR

Johnny Cash:

„Songwriter“ (Universal).

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