„Schreiben als Flucht“

von Redaktion

Bestseller-Autor Bernhard Schlink feiert 80. Geburtstag

Bernhard Schlink schrieb „Der Vorleser“. © Annette Riedl

Mit „Der Vorleser“ hat Bernhard Schlink die Erinnerung an den Holocaust im Bewusstsein von Millionen Menschen wachgehalten. Es war das erste deutsche Buch, das es auf die Bestsellerliste der „New York Times“ schaffte – wobei der Roman nicht unumstritten war. Neben seiner Tätigkeit als Autor wirkte Schlink auch als Jurist, Verfassungsrichter und Hochschullehrer. An diesem Samstag feiert er seinen 80. Geburtstag.

Der in mehr als 50 Sprachen übersetzte „Vorleser“ machte Schlink weltberühmt. Der Roman erschien 1995 und handelt von der Liebe zwischen dem 15-jährigen Gymnasiasten Michael Berg und der 36-jährigen Straßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz, die Analphabetin ist. Die plötzlich spurlos verschwundene Schmitz taucht später in einem Prozess wieder auf, dem Berg als Jurastudent beiwohnt. Sie wird dort als ehemalige KZ-Aufseherin enttarnt.

Schlink wurde für den Roman viel gelobt, setzte sich wegen der menschlichen Sicht auf eine NS-Täterin aber auch dem Vorwurf der Verharmlosung aus. Schlink selbst betonte stets, die Welt sei nicht in Gut und Böse zu teilen. „Wenn Täter immer Monster wären, wäre die Welt einfach“, sagte er 2009 der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Als ein Holocaust-Buch wollte Schlink den Roman nie verstanden wissen: „Ich habe ein Buch über meine Generation im Verhältnis zur Elterngeneration und zu dem, was die Elterngeneration gemacht hat, geschrieben.“

Geboren wurde Schlink am 6. Juli 1944 in Bielefeld. Er wuchs in Heidelberg auf, sein Vater war protestantischer Theologieprofessor. Nach seinem Jurastudium promovierte Schlink 1975 über Verfassungsrecht, wenige Jahre später folgte seine Habilitation. Nach ersten Professuren kam er 1990 als Juraprofessor an die Humboldt-Universität Berlin, wo er 2009 emeritiert wurde. Daneben war Schlink zwischen 1987 und 2006 Richter am nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof in Münster. Nach der Wende arbeitete er an der Übergangsverfassung für die DDR mit. Im Rechtsstreit um die Bundestagsauflösung 2005 war Schlink zudem Prozessbevollmächtigter für die Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).

Nachdem sich Schlink bereits als juristischer Autor einen Namen gemacht hatte, folgte 1987 sein Schritt in die Literatur. Mit einem Freund veröffentlichte er den Kriminalroman „Selbs Justiz“, in dem sich ein Detektiv mit seiner NS-Vergangenheit konfrontiert sieht. Das Buch wurde 1991 unter dem Titel „Der Tod kam als Freund“ vom ZDF verfilmt.

Nach weiteren Krimis erschien 1995 „Der Vorleser“. Es machte Schlink auch in den USA bekannt, wo es die US-Talkmasterin Oprah Winfrey 1999 zum Buch des Monats kürte. Mehr als eine Million Leser fand der Roman in den USA. Zu größerer Bekanntheit verhalf dem Buch nicht zuletzt die mehrfach oscarnominierte Verfilmung von 2008 mit der Schauspielerin Kate Winslet in der Rolle von Hanna Schmitz.

Gelobt wird Schlink für seine klare und genaue Sprache. Nach dem „Vorleser“ schrieb er weitere Romane – unter anderem „Die Heimkehr“ oder „Die Frau auf der Treppe“. Gelegentlich hielten ihm Kritiker Kitsch und Klischees vor. Zuletzt erschien im vergangenen Jahr der Roman „Das späte Leben“, der unter anderem als „stiller, großer und wichtiger Text“ gelobt wurde. Schlink betont immer, er fühle sich beim Schreiben glücklich. „Ich bin beim Schreiben ganz bei mir“, sagte er jüngst im NDR. „Schreiben ist für mich ein Fluchtort, weil ich nirgendwo so bei mir bin, wie beim Schreiben.“ Privat pendelt Schlink zwischen New York und Berlin. Er hat eine amerikanische Lebensgefährtin und einen erwachsenen Sohn aus geschiedener Ehe.
TBH/CFM

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