Russische Seelenbilder

von Redaktion

Festspiel-Liederabend mit Sopranistin Asmik Grigorian im Prinzregententheater

Asmik Grigorian, Superstar aus Litauen. © Wilfried Hösl

Kein Schubert, Schumann, Brahms oder Strauss, nichts Deutsch-Romantisches, sondern Russisches stand auf dem Programm des Festspiel-Liederabends am Sonntag im Prinzregententheater. Kein Wunder, war doch die aus Litauen stammende Asmik Grigorian die Protagonistin, die, begleitet vom litauisch-russischen Pianisten Lukas Geniusas, hierzulande eher selten zu hörende Lieder von Tschaikowsky und Rachmaninow sang. Dabei spannte Grigorian, die mit ihrer Salzburger Salome 2018 die Opernwelt aufmischte und in München derzeit als Lisa in „Pique Dame“ zu erleben ist, den Bogen vom wie nebenbei und sanft memorierten Ball-Erlebnis (Tschaikowsky/Tolstoi: „Inmitten des Balls“) bis hin zur dramatisch aufleuchtenden Intensität der „Dissonanz“ (Rachmaninow/Polonski).

Viel Piano, Mezzavoce und feinstes Pianissimo waren zu hören in den von Melancholie, von Wehmut und Sehnsucht, Entsagen und Tod getränkten Gedichten, die unter anderem von Tolstoi, Tschechow und Puschkin, aber auch von Goethe und Heine stammen und Tschaikowsky wie Rachmaninow zu tönenden Seelenbildern animierten. Dabei störte es keineswegs, dass in einigen Liedern (etwa Heines „Kind! Du bist wie eine Blume“, das die Sopranistin federleicht hintupfte) ein männliches Ich spricht.

Mit kontrollierter, höchst kultivierter Tongebung gestaltete Asmik Grigorian auch Goethes „Nur wer die Sehnsucht kennt“, wobei Lukas Geniusas zunächst als diskreter Begleiter agierte. Erst bei Rachmaninow, der das Klavier aufwendiger bedachte, ging er aus sich heraus, zuweilen mit etwas viel Pedal. Seine kurzen solistischen „Intermezzi“, die verträumte Romanze f-Moll, das tänzerische Scherzo humoristique von Tschaikowsky sowie die Préludes von Rachmaninow fügten sich stimmungsvoll in die Gesänge ein. Das begeisterte Publikum erklatschte sich zwei Zugaben.
GABRIELE LUSTER

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